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Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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Klemper jedenfalls nahm seine Bemerkung geradezu als kaiserliches Edikt und hätte vor Dankbarkeit fast geknickst.
    »Also dann, wenn das ein Kriminalbeamter sagt!« Sie nickte Kraus zu, wartete jedoch darauf, dass er als Erster zugriff. Er fügte sich, und Sekunden später stürzten sich alle auf die Rippchen. Was ein Gespräch über vergiftete Wurst offenbar nicht auszuschließen brauchte.
    »Die Frühausgabe von Berlin am Mittag war in dem Punkt ganz eindeutig.« Otto Winkelmann nahm Messer und Gabel in die Hand. »Die Bakterien wurden identifiziert.« Er kaute und warf seiner Frau einen ehrfürchtigen Blick zu. »Liebes, du hast dich diesmal wirklich selbst übertroffen.«
    »Du meinst die E.coli-Bakterien?« Frau Klempers Wimpern flatterten zustimmend. »Er hat wirklich recht, Irmgard. Deine Soße sollte zum Nationalschatz erklärt werden. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Behauptung in einer späteren Ausgabe wieder zurückgenommen wurde.«
    »Laut dem Volksbeobachter sind es eindeutig keine E.coli-Bakterien.« Herr Klemper hatte Irmgards Nationalheiligtum bereits über die ganze Serviette auf seiner Brust verteilt. »Sondern es sind Salmonellen. Gibt es keine Kartoffeln mehr? Sind wir wieder bei der Rationierung wie in Kriegszeiten?«
    Kraus wusste, dass es weder E.coli noch Salmonellen waren.
    »Aber warum dauert es so lange, das herauszufinden?« Frau Klemper hob die Hand mit ihren dicken Fingern, unfähig sich vorzustellen, dass ein solcher Prozess mehr als eine Stunde in Anspruch nehmen konnte.
    »Schockierend, wirklich schockierend.« Irmgard Winkelmannging um den Tisch herum und legte ihrem Bruder noch mehr Kartoffeln nach. »Dass so etwas in Berlin passieren konnte.«
    Dass nichts den Verteidigungsring durchbrechen konnte, der die Fleischversorgung der Stadt schützte, war eine nicht ganz unbegründete Vorstellung, wie Kraus mittlerweile wusste. In der kurzen Zeit, die er heute im Gesundheitsministerium verbracht hatte, hatte er erfahren, wie eindrucksvoll das Kontrollsystem war, das dieses Ministerium vor Jahrzehnten eingeführt hatte, und dass es in Anbetracht der Größe der fleischverarbeitenden Industrie nur sehr selten durchbrochen wurde. Selbst während des Krieges hatte es, wie Vicki sich erinnerte, trotz der vierjährigen Blockade durch die Alliierten, bei der eine Million Berliner am Rand des Hungertodes standen, keine ernsthafte Vergiftung bei den Fleischvorräten gegeben. Genau genommen hatte es keine wirklich bedeutende Vergiftung in Berlin gegeben, seit Hunderte Bewohner beim Ausbruch der Trichinose-Bakterien vor neunzig Jahren gestorben waren. Was prompt dazu geführt hatte, dass diese Gesundheitsmaßnahmen überhaupt erst eingeführt worden waren.
    Bis jetzt hatte es keine Vergiftungsfälle gegeben. Und das trotz all dieser Kontrollen.
    Wie üblich hatten die unzähligen Zeitungen der Stadt nur Bruchstücke der ganzen Geschichte richtig verstanden. In diesem Fall waren das die Zahl der Opfer, ihr Alter et cetera. Was jedoch die ursächlichen Krankheitserreger anging, hatten die Zeitungen in ihrem Bemühen, die Konkurrenz auszustechen, fast alles falsch dargestellt. Dieses Mal jedoch war es nicht ihre Schuld. Das Gesundheitsministerium, so hatte Kraus erfahren, führte die Öffentlichkeit absichtlich an der Nase herum.
    Kurz nach seinem Gespräch mit Dr. Weiß war er zu dem gewaltigen Granitgebäude des Gesundheitsministeriums in der Nähe des Wilhelmplatzes gefahren. Dort hatte er eine fieberhafte Geschäftigkeit wahrgenommen, als befände man sich imKrieg. Techniker rannten die Gänge entlang. Schreibmaschinen klapperten. Niemand wollte dieses Wochenende nach Hause gehen. Seine Ansprechpartnerin, die Leiterin des medizinischen Krisenstabes, Frau Dr. Riegler, hatte ihn förmlich vor ein Mikroskop gezerrt.
    »Das ist eine Riesenschweinerei.« Sie hatte ihm das Okular eingestellt. »E.coli und Salmonellen sind die reinsten Schmusekätzchen gegen das da.«
    Kraus hatte einen Haufen zuckender, stabförmiger Gestalten gesehen.
    »Listeria monocytogenes«, flüsterte Doktor Riegler, als wäre es zu schrecklich, um es laut auszusprechen. »Zehnmal tödlicher als die meisten gewöhnlichen Krankheitserreger in Nahrungsmitteln. Dieses widerliche kleine Bazillus überlebt selbst in der größten Hitze und Kälte. Und noch lange, nachdem man sie vernichtet geglaubt hat ... kommen sie zurück. Man muss ständig säubern, prüfen. Säubern. Prüfen.«
    Kraus fand zwar, dass die Stäbchen

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