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Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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spiegelten die Schaufenster den Verkehr wie in einem Avantgardefilm, mit gebrochenen Perspektiven und strömenden Flüssen aus Licht.
    »Deshalb, müssen Sie wissen, ist diese Sache mit dem Respekt, über den die Baroness sich ausließ, alles romantischer Unsinn.« Von Hessler drückte wie besessen auf die Hupe und hätte beinahe ein Paar überfahren, das sich verzweifelt aneinander klammerte, während es dieses Chaos zu überqueren versuchte. »Je mehr wir lernen, desto klarer begreifen wir, dass das, was die Menschen in diesem Universum Ordnung nennen, eigentlich nur eine Konditionierung ist. Auf welcher Straße wohnten Sie doch gleich?«
    Weit entfernt von den Menschenmengen und den bunten Lichtern führten die ruhigen Chausseen rund um den Preußischen Park vorbei an stuckverzierten fünfstöckigen Mietshäusern mit Mansardenwohnungen in den hohen Spitzdächern. Sie wurden von über allem herrschenden Wasserspeiern und Walküren aus Stuck gekrönt. Auf der Beckmannstraße sprangen Kraus und Vicki vor ihrem seriösen, ehrbaren Mietshaus förmlich aus von Hesslers Rennwagen und dankten ihm überschwänglich. »Wir sollten das unbedingt noch einmal wiederholen!«, schrie der Doktor ihnen zu. »Unbedingt!«
    Vicki winkte ihm nach.
    In dem mit Teppichen ausgelegten und von Kristalllüstern beleuchteten Vestibül schlang sie die Arme um Kraus und küssteihn leidenschaftlich, schob ihre warme, weiche Zunge in seinen Mund.
    »Atemberaubend«, flüsterte er.
    Im Treppenhaus streifte sie ihre blauen Schuhe ab und forderte ihn auf, die Haken ihres Kleides zu öffnen. Die kleinen Perlen klimperten heftig. Wenn jetzt einer der Nachbarn zusieht?, überlegte er. Das würden sie für den Rest ihres Lebens zu hören bekommen. Sie müssten wahrscheinlich sogar umziehen. Und er müsste seinen Abschied bei der Polizei nehmen. Aber so spät am Abend, mitten in der Woche ... und die Kinder, die auf einem Geburtstag waren und dort schliefen ...
    Es war wirklich eine Nacht für die Geschichtsbücher.
    Am nächsten Morgen summte Vicki fröhlich und küsste ihn zärtlich auf den Mund, als er zum Frühstück kam. Während die Würstchen in der Pfanne brutzelten, hielt sie sich Bananen an die Hüften und schwang sie in einem kleinen Hula-Tanz, dann fuhr sie mit den Fingern durch seine welligen, dunklen Haare. Was für ein Festtag, wenn die Kinder einmal nicht da waren. Wenn Heinz Winkelmann doch nur öfter Geburtstag hätte. Bis auf diese verdammte Party um vier ... und heute noch einen halben Arbeitstag ... es gab kein Entkommen.
    Vicki ließ die Bananen sinken. »Was ist das denn?« Sie riss ihm die Zeitung aus den Händen. VERDORBENE WURST! HUNDERTE ERKRANKT! Die Flamme unter der Pfanne mit der Wurst erlosch. »Selbst während des Krieges habe ich so etwas noch nie gehört.« Sie überflog die Zeilen mit zusammengekniffenen Augen. »Verseuchtes Fleisch, hier in Berlin? Trotz aller Kontrollen, die wir haben?«
    »In dieser Welt kann so ziemlich alles passieren, Liebling.« Kraus nahm ihr ruhig die Zeitung weg. »Selbst mit den besten Kontrollen.« Eine andere Geschichte war ihm ins Auge gefallen, eine kleinere Rubrik am unteren Ende der Seite. Offenbar hatte die Börse in New York einen schlechten Tag gehabt.

ZWEI
    Sie rissen den Alex auf. Nach zwei Jahrhunderten unkontrollierten Wachstums wurde in das Gewirr von Straßen, die den alten, kommerziellen Mittelpunkt etwas östlich vom Stadtzentrum bildeten, Ordnung gebracht. Der Alexanderplatz mit seinen Hotels und Kaufhäusern, berühmten Restaurants und dem albtraumhaften Verkehr sollte ein »architektonisch kohärenter« Platz werden, mit ungehindert fließendem Verkehr auf verschiedenen Ebenen und hellen, modernen Gebäuden. Bis es allerdings so weit war, herrschte blankes Chaos. Presslufthammer. Bagger. Pfahlrammen, die unablässig krachten. Kraus musste sich die Ohren zuhalten. Die Fußgänger wurden gezwungen, über schmale, provisorische Bretterwege zu gehen, und hatten Mühe, dem Verkehr von Fahrrädern, Autos und Lastwagen auszuweichen, der ebenfalls über verstopfte Umleitungen geführt wurde. Der Weg zum Paradies führte eindeutig durchs Fegefeuer. Selbst am Samstagmorgen.
    Als er das Ende der Königsstraße erreichte, schien die Luft unter der Wucht der Abrissbirnen zu erzittern. Vom Grandhotel, in dem sein Großvater 1911 seinen achtzigsten Geburtstag gefeiert hatte, standen nur noch die letzten Grundmauern. Das Haus »Zum Hirschen«, dessen Speisesaal neunundneunzig

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