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Kindersucher

Kindersucher

Titel: Kindersucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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Rinder, muhende, brüllende, braunäugige Rinder, die die Rampe hinaufpolterten. War einem von ihnen klar, dass sie die letzten Sekunden Sonnenschein auf ihrem Rücken spürten?
    Genauso wie er.
    Diese Möglichkeit wurde schrecklich real, als einen Augenblick später sein Hals kribbelte. Er spürte Gefahr, wirbelte herum und sah Axel nur einen halben Meter von sich entfernt. Kraus duckte sich, warf sich unter den Bauch des nächsten Rinds, tauchte dann auf der anderen Seite wieder auf und rannte, so schnell er konnte, weiter, bis er allein mit einem besonders großen Rindvieh war, das mit ihm zusammen durch eine Schwingtür stürmte. Sobald sie drin waren, schloss die Tür automatisch und ließ sich auch nicht mehr öffnen, obwohl Axel wie verrückt daran zerrte. Ganz offenbar war der Mechanismus so ausgelegt, dass immer nur ein Tier auf einmal hereingelassen wurde.
    Kraus seufzte.
    Er hatte jedoch nicht einmal genug Zeit, um Luft zu holen, als zwei Arme aus der Dunkelheit zugriffen, das Rind an den Hörnern packten und einen Harnisch über seinen Kopf warfen. Dadurch wurde dem Tier jegliche Bewegungsfreiheit genommen. Bevor Kraus auch nur ein Wort sagen konnte, krachte dem Rind ein gewaltiger Hammer zwischen die Hörner. Das Rind schrie schrecklich auf, dann riss es alle vier Beine hoch in die Luft, als hätte es plötzlich gelernt zu fliegen. Kraus wurde in eine Ecke geschleudert. Das Rind landete krachend auf dem Bauch, und ein zweites Paar Arme streifte Ketten über dessen Hinterbeine. Ein mechanischer Flaschenzug hob das Rind kopfüber an. Seine braunen Augen blickten immer noch benommen um sich, während es erneut durch die Luft flog, diesmal an einem Förderband aufgehängt.
    Mit einem Blick begriff Kraus den Ablauf der Operation.
    Die Rinder gingen im Dutzend in diese Verschläge, bekamen einen betäubenden Schlag auf den Schädel, wurden angehoben und leisteten dann ihren Leidensgenossen am Förderband Gesellschaft. Männer in hüfthohen Lederstiefeln warteten bereits auf sie und durchtrennten ihnen mit silbrigen Messern die Kehlen. Diese Männer standen in einer Gischt von rotem Blut und hatten kaum die Zeit, einen Schnitt sauber zu beenden, bevor auch schon die nächste Kehle vor ihnen auftauchte. Sie standen mit den Füßen knöcheltief im Blut. Es strömte durch Entwässerungsgitter, wurde gesammelt und zur Albumin-Fabrik geschafft. Endlich waren die Rinder von ihren Qualen befreit. Ihre Kadaver wurden zu Männern mit langen Gummihandschuhen weitertransportiert, die ihre Leiber aufschnitten und die Organe entnahmen. Anschließend ruckelten sie weiter zu den Häutern, die Haut und Fett abzogen. Ohne auch nur eine Sekunde Pause zu machen, wurden sie dann zu den Schneidemaschinen weitergefahren, den riesigen, gnadenlosen Schlünden des Todes, wo ihre Leiber in Hälften geschnitten wurden. Hier war es so laut, dass man nicht einmal hörte, was einen halben Meter neben einem passierte. Und alles ging so schnell, dass die Arbeiter kaum Zeit hatten, sich auf irgendetwas anderes als ihre Aufgabe zu konzentrieren.
    Weshalb auch niemand bemerkte, dass Kraus überhaupt hier war.
    »Schlachthaus, Bierhalle, Bordell, Bett«, hatte Gruber aufgezählt, daran konnte Kraus sich erinnern. »Mehr kennen diese Männer nicht, Kraus.«
    Als jetzt das Rind, mit dem Kraus in den Verschlag getreten war, seinem Schicksal entgegenruckelte, öffnete sich das Tor und ließ nicht nur ein weiteres Rind ein, sondern auch Axel. Jetzt war es an Kraus, sich seinem Schicksal zu stellen. Es war sinnlos, nach Hilfe zu rufen. Er würde diesen Kerl zur Strecke bringen müssen, genauso wie diese Tiere erledigt wurden. Axels glühende Wut hatte nicht nachgelassen. Falls das überhaupt möglich war, schien er noch aufgebrachter zu sein und sprang um das Rind herum, als es den betäubenden Schlag mit dem Hammer erhielt.
    Als das Tier krachend auf dem Boden landete, hatte er Kraus erreicht und hob sein Beil, ohne darauf zu achten, ob irgendjemand zusah. Kraus dachte unwillkürlich an Freksa, der in zwei Hälften gehackt worden war, während er die Schultern einzog und sich über den Boden rollte. Das Hackebeil grub sich, nur ein paar Zentimeter von seinem Gesicht entfernt, in die Schiefersteine. Seine Jacke und seine Hose waren von Blut getränkt, aber Gott sei Dank war es nicht sein eigenes.
    Außerdem war er jetzt dort, wo er sein musste: hinter Axel.
    Jetzt hatte er eine Chance.
    Kraus wich zurück, sah seinem Widersacher ins Gesicht und lockte

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