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Kindersucher

Kindersucher

Titel: Kindersucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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auf, und als wäre ein Damm gebrochen, strömte eine Flut aus rosafarbenen Schweinen aus jedem Waggon. Sie quietschten, schnappten, schrien und grunzten, während sie von Männern mit Stöcken weitergetrieben wurden. Dann wurden sie durch Pferche einzeln über die Rampe getrieben, wo sie von anderen Männern in langen Segeltuchschürzen bereits erwartet wurden. Das waren die Gesundheitsinspektoren. Bevor die Tiere in eine Koppel gelassen wurden, mussten sie sich einzeln einer Musterung unterziehen. Die meisten schafften es und warteten dann in den Koppeln auf ihren Weitertransport zu den Viehhöfen und auf den Markttag. Die wenigen, die es nicht schafften, wurden sofort eine Rampe hinab zur Entsorgung getrieben. In beiden Fällen war ihr Schicksal besiegelt. »Jedes Tier, das hier ankommt«, meinte Gruber kichernd, »verlässt den Viehhof nur in Hälften, Keulen oder Koteletts.«
    Anschließend waren sie durch ein Tor in die westliche Zone gefahren, über Alleen mit gigantischen Bauwerken aus roten Ziegeln, von denen jedes mehrere Fußballfelder lang war und an deren Enden riesige Schornsteine standen. Es hätten Fabriken, Maschinenhallen oder Geräteschuppen sein können. Tatsächlich waren es jedoch, wie Gruber erklärte, die Schlachthäuser. Es gab davon sieben, und jedes verarbeitete achttausend Tiere pro Tag. Nahezu drei Millionen im Jahr. Der glänzende schwarze Daimler kam zum Stehen.
    Die Straße vor ihnen wurde von einer Herde Schafe blockiert, die aus einem Tunnel direkt aus den Markthallen aufgetaucht waren. Es waren Hunderte, die blökend von Männern mit Stöcken nummerierte Rampen hinauf und dann weiter in das nächste Ziegelgebäude getrieben wurden. Dort drängten die Männer sie dann einzeln durch die Schwingtüren.
    »Wollen Sie sehen, wie es abläuft?«, erkundigte sich Gruber.
    Kraus warf einen Blick auf die wolligen, weißen Leiber, die sich aneinanderdrängten, als sie sich durch die Türen quetschten. Ein Mann mit hüftlangen Gummistiefeln und einer langen, weißen Schürze stand neben der Tür und rauchte. Kraus warf einen Blick auf dessen blutbespritzte Schürze und schüttelte den Kopf. Er musste das nicht sehen. Andererseits war es für einen Mann, der selbst etliche Menschen getötet hatte, ein wenig peinlich, so zu kneifen.
    Gruber lächelte nur. »Die meisten Besucher wollen die Schlachtung nicht sehen. Das verstehe ich. Aber ich versichere Ihnen, dass wir es so human wie möglich machen. Letztendlich kann man sagen, dass die Tiere gar nicht mitbekommen, was mit ihnen geschieht. Sie werden durch Schiebegitter isoliert, ruhiggestellt, betäubt, aufgehängt und dann ausgeblutet, durch einen Schnitt durch die Kehle. Danach werden sie gehäutet, ausgeweidet und zerhackt. Dann werden sie von einem Schienensystem an der Decke an Haken in die Kühlhäuser transportiert. Dort wird jeder Tierkörper nach Parasiten oder anderen Zeichen einer Erkrankung abgesucht. Dann werden sie in ihre Bestandteile zerlegt und nach Fleisch und Nebenprodukten sortiert. Das da drüben ist eines der Kühlhäuser.« Gruber deutete auf ein gewaltiges, fensterloses Gebäude am Ende der Straße. »Die Temperaturen hier steigen nie über anderthalb Grad. Schlachter mieten getrennte Bereiche und holen sich dann Nachschub, wie das Geschäft es erfordert. Wenn das Fleisch den Viehhof verlässt, gehen die besseren Teile zum Großhandelsmarkt gegenüber auf der Landsberger Allee, wo sie wiederum von Händlern gekauft werden, die sie zu den Zentralmarkthallen am Alexanderplatz oder direkt an Einzelhändler liefern.«
    »Was ist das?« Kraus deutete auf einen sechseckigen Turm, der etliche Stockwerke hoch war und aussah wie eine mittelalterliche Burg.
    »Der alte Wasserturm. Er wird nicht mehr benutzt. Sieht unheimlich aus, stimmt’s?« Gruber lachte. »Vielleicht sollten wir ihn für einen dieser Vampirfilme verpachten. Der neue steht da drüben, über dem Maschinenhaus. Fünf Turbinen mit jeweils vierundachtzig PS betreiben unser hydraulisches System. Natürlich sind wir, was Sauberkeit angeht, penibler als die Armee. All unsere Fabriken, Schlachthäuser, Laderäume und Viehhöfe sind nicht nur mit hervorragender Ventilation und Licht ausgestattet, sondern verfügen auch über Wasseranschlüsse mit maximalem Druck. Alles muss ständig abgespritzt werden. Selbst die Böden haben ein Drainagesystem, damit die Abwässer entsorgt werden können.«
    »Abwässer?« Kraus spürte ein merkwürdiges Kribbeln. »Wohin werden sie

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