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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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sättigt. Und der hat noch keinem Kind etwas geschadet. Außerdem ist es mal wieder Zeit für einen kleinen Beruhigungstrunk. Der hilft schließlich auch gegen ihre Schmerzen.
    Er löste eine halbe Schlaftablette in Wasser auf und goss anschließend Milch hinzu. Dann rührte er reichlich Kabapulver ein, erhitzte die braune Flüssigkeit, bis sie etwa Körpertemperatur erreicht hatte. Nun füllte er sie in eine Trinkflasche, stattete sich erneut mit Mundschutz und Handschuhen aus und ging hinunter in den schallisolierten Kellerraum.
    Als Emma die riesenhafte Gestalt im Türrahmen auftauchen sah, zuckte sie zusammen und wich ängstlich zurück. Sie presste den Rücken an das hintere Gitter und klammerte sich verzweifelt daran fest. Doch sie konnte ihrem Entführer nicht entfliehen. Er kam immer näher, setzte sich neben dem Bettchen auf den Boden.
    Er hatte eine Trinkflasche dabei. Er stellte sie ab. Seine Pranke schob sich durch die Gitterstäbe. Ein aufdringlicher Parfumgeruch kroch ihr in die Nase. Er tastete nach ihrem Po. Wimmernd warf sie sich auf die Matratze und krümmte sich zusammen. Aber die Hand ging nicht weg, sondern grapschte weiter nach ihr. Robbend flüchtete sie in die hinterste Ecke des Käfigs. Doch er packte sie an der Hose, drückte auf ihre Windel.
    »Muss ich dich etwa schon wieder wickeln?«, zischte die bedrohliche Männerstimme.
     
     
    10 Uhr
     
    Eberhard Richter legte den Hörer auf. Vor Freude klatschte er in die Hände und warf den Oberkörper zurück. Zeitgleich streckte er die Beine aus. Der Schreibtischstuhl rollte nach hinten. Er ballte die Fäuste, schloss die Augen, sperrte den Mund weit auf und verzog das Gesicht zu einer furchterregenden Grimasse.
    Das ist meine große Chance, frohlockte er in Gedanken. Damit schaffe ich endlich den Absprung aus dieser verdammten Provinz. Ich muss diese Wahnsinns-Story unbedingt exklusiv haben. – Sigbert. Ich muss sofort zu Sigbert.
    Mithilfe eines kurzen Telefonats vergewisserte sich der Chefredakteur der Pfälzischen Allgemeinen Zeitung , dass sein Golfpartner Zeit für ihn hatte. Danach eilte er zu seiner Sekretärin, schnappte sich die tagesaktuelle Ausgabe der FAZ und verließ im Sturmschritt die Redaktion.
    Er parkte gegenüber dem Hauptbahnhof direkt vor dem Justizgebäude – im absoluten Halteverbot. Der Beamte im Eingangsbereich staunte nicht schlecht, als der stadtbekannte Chefredakteur der PALZ , wie die Pfälzische Allgemeine Zeitung meist in Kurzform genannt wurde, den Autoschlüssel auf den Empfangstresen knallte und ihn bat, falls nötig, seinen Wagen wegzufahren. Bevor der verdutzte Mann seine Sprache wiedergefunden hatte, war Richter mit den Worten »Notfall! Ich muss ganz dringend zu Dr. Hollerbach« im Flur verschwunden.
    »Guten Morgen, Herr Chefredakteur«, begrüßte der Oberstaatsanwalt seinen alten Spezi, mit dem ihn außer der vorgeblichen Begeisterung für den Golfsport auch die Mitgliedschaft in mehreren Nobelklubs der Stadt verband. »Was verschafft mir denn die Ehre Ihres hohen Besuchs?«, säuselte er. Mit einer Geste bedeutete er seinem Gast, ihm gegenüber Platz zu nehmen. »Hast du dich etwa dazu durchgerungen, endlich den schon lange versprochenen Artikel über mich zu schreiben?«
    Richter, dem die Profilneurose seines Golfpartners bereits seit Langem bekannt war, überspielte diese spitze Bemerkung. »Kommt bald, mein lieber Sigbert, kommt garantiert bald. Aber heute Morgen führt mich etwas anderes zu dir, nämlich eine äußerst delikate Angelegenheit.«
    Bei solch einer interessanten Andeutung spitzte Dr. Hollerbach natürlich sofort neugierig die Ohren. »Delikat? Na, da bin ich jetzt aber mal gespannt«, sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Entschuldige, darf ich dir etwas zu trinken anbieten? Vielleicht ein Wasser?«
    Obwohl Eberhard Richters kurzärmeliges Seidenhemd unter den Achseln große Schweißflecke aufwies, machte er eine abwehrende Handbewegung. »Nein, nein, nicht nötig.«
    »Oder einen kleinen Cognac?«
    »Nein, danke, Sigbert. Ich hab jetzt wirklich keine Zeit«, gab sein Gegenüber seufzend zurück. »Ich muss gleich wieder zurück in die Redaktion.«
    »Dann sollten wir doch am besten gleich in medias res gehen«, schlug der Oberstaatsanwalt vor. Er warf einen theatralischen Blick auf die silberfarbene Breitling-Armbanduhr, die als unübersehbares Statussymbol an seinem rechten Handgelenk prangte. »Auch ich bin unter Zeitdruck, mein lieber Eberhard. In einer knappen halben Stunde

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