Kindspech: Tannenbergs achter Fall
dem Sack: »Tannenbergs Großnichte ist entführt worden.«
»Was? Wer?«
»Emma Tannenberg, keine zwei Jahre alt, die Tochter seiner Nichte.«
»Wann? Wo? Wie? Weshalb?«, stieß der Oberstaatsanwalt im Protokollstil die Fragewörter aus.
»Du hast aber viele Fragen auf einmal, lieber Sigbert«, amüsierte sich sein Golfpartner, der sich inzwischen wieder in seinem Stuhl zurückgelehnt hatte. In der Gewissheit seines Triumphes hielt er die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Gesicht verdüsterte sich. »Viel zu viele Fragen für einen leitenden Oberstaatsanwalt, wie ich finde. Die Öffentlichkeit könnte ja den Eindruck gewinnen, als wüsstest du überhaupt nichts von den Kapitalverbrechen, die sich gegenwärtig in deinem Zuständigkeitsbereich ereignen. Und das in deiner exponierten Stellung.«
Wenn ein fast regloses Gesicht erstarren konnte, dann war es das des leitenden Oberstaatsanwaltes. Sogar seine Augen stellten die emsigen Bewegungen ein, mit denen er die Todesanzeige betrachtet hatte.
Eberhard Richter drohte mit dem Zeigefinger. »Nein, nein, mein Lieber, so geht das nicht. Was glaubst du wohl, was los wäre, wenn meine Leser von solch einer Schlamperei erfahren würden. Das gäbe ganz schön Feuer unter deinem Dach.«
Aus Dr. Hollerbachs Gesicht war die Farbe gewichen. »Oh Gott, Eberhard, du wirst doch nichts darüber schreiben, oder?«
»Das kommt ganz darauf an«, entgegnete der Chefredakteur orakelhaft. »Wie du ja weißt, hat die Öffentlichkeit ein Recht auf Information, besonders dann, wenn es sich wie im vorliegenden Falle um ein Kapitalverbrechen handelt.« Er grinste hämisch und reckte den Finger nach oben. »Das sich übrigens bereits gestern Morgen ereignet hat.«
Richter genoss sichtlich die Anspannung seines Gegenübers. Er bewegte seinen Körper abermals nach vorne und zischte: »Und die Staatsanwaltschaft weiß nichts davon. Diese Chose hat durchaus das Zeug zu einem gewaltigen Skandal. Womit du deine Karrierepläne wohl ein für alle Mal begraben könntest.« Wieder ein spöttisches Grinsen. »Ade, du liebes Oberlandesgericht.«
Dr. Hollerbach schluckte so hart, als versuche er gerade vergebens, einen sperrigen Brocken hinunterzuschlucken. Seine Hände umklammerten krampfhaft die Lehnen des noblen Ledersessels. »Bitte nicht, Eberhard, das kannst du mir nicht antun«, flehte er mit dünner Stimme.
»Das kommt ganz darauf an«, wiederholte der Chefredakteur der PALZ noch einmal dieselben Worte.
»Worauf?«, keuchte der Oberstaatsanwalt.
Eberhard Richter sog in einem tiefen Zug die klimatisierte Luft ein, bevor er sie anschließend geräuschvoll ausstieß. »Ich schlage dir einen kleinen Deal vor: Du sicherst mir exklusive Informationen zu, die kein anderer Journalist erhält, und ich sorge dafür, dass niemand etwas von dieser skandalösen Schlamperei erfährt.«
»Und wie stellst du dir das konkret vor? Du weißt doch ganz genau, dass ich so etwas überhaupt nicht darf.«
Richter lachte schallend auf. »Offiziell natürlich nicht, mein lieber Sigbert, das ist schließlich jedem von uns beiden sonnenklar. Aber du sitzt doch bei den Ermittlungen direkt an der Quelle. Du rufst mich einfach auf meinem Handy an, wenn es etwas Neues gibt. Und ich sichere dir absolute Vertraulichkeit zu – Ehrenwort.«
Bei diesem Begriff zuckte Hollerbach unmerklich zusammen. Was dein Ehrenwort wert ist, wenn es hart auf hart kommt, das kann ich mir sehr gut vorstellen, du linke Bazille, dachte er, sprach diesen Gedanken jedoch nicht aus. »Aber das fällt doch auf, wenn die Leute heiße Informationen in der Zeitung lesen, die nur einem kleinen, internen Kreis bekannt sind.«
»Ja, und? Dann leitest du eben Ermittlungen wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen gegen unbekannt ein.«
Hollerbach schüttelte den Kopf. Ein Schmunzeln umspielte dabei seine Lippen. »Du bist vielleicht ein durchtriebener Teufelsbraten.«
»Vielen Dank für die Blumen, Herr Oberstaatsanwalt. Ich würde vorschlagen, du knöpfst dir schleunigst diesen Tannenberg und seinen Chef vor. Die würde ich an deiner Stelle erst mal anständig in den Senkel stellen. Und anschließend beraumst du für heute Nachmittag eine Pressekonferenz an, in der du die Verhängung einer strikten Nachrichtensperre bekannt gibst.«
»Nachrichtensperre?«
»Ja, klar! Um das Leben des Kindes zu schützen und die Ermittlungen nicht zu gefährden.«
»Genialer Plan«, lobte Dr. Hollerbach. Was bist du doch für ein ausgekochter Mistkerl,
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