King of the World
und Liston, der in Philadelphia einen Kämpfer, den er Albert »Quick Fall« Westphal nannte, in der ersten Runde auf die Matte schickte. Wie jeder Sportfan im Land (und selbst diejenigen, die mit Boxen nichts anfangen konnten, nahmen von Schwergewichtskämpfen Notiz) hatte Kennedy gesagt, der eigentliche Kampf wäre der zwischen Patterson und Liston. Nach dem zweiten Kampf gegen Johansson hatte Kennedy den Champion sogar ins Weiße Haus eingeladen, um ihm dafürzu gratulieren, daß er der erste war, der sich den Titel im Schwergewicht zurückholen konnte, aber auch, um ihm Mut zu machen. Es war scheinbar ein Routinebesuch – seit Jahrzehnten hatten Sportstars Präsidenten besucht; für beide war es leichte und harmlose Publicity –, doch Patterson war nervös. Der Präsident fragte den Champion, gegen wen er als nächstes antrete. Cassius Clay, der forsche Olympiasieger, eilte an die Spitze seiner Klasse, doch noch forderte niemand diesen Kampf. Clay war noch keine zwanzig. Patterson wußte, was der Präsident meinte.
»Liston«, sagte er. »Ich trete gegen Liston an.«
Statt Patterson lediglich alles Gute zu wünschen, sagte Kennedy: »Also, den
müssen
Sie schlagen.«
Liston seinerseits war überzeugt, daß die Begegnung im Weißen Haus der eigentliche Grund dafür war, daß Patterson schließlich in den Kampf einwilligte. »Ehrlich, ich glaub nicht, daß Patterson mich geboxt hätte, wenn er es nicht dem Präsidenten versprochen hätte«, sagte er. »Ich glaube, Floyd hat sich in einer Lage gesehen, wo er sein Wort nicht mehr zurücknehmen konnte. Man sagt dem Präsidenten der Vereinigten Staaten schließlich nicht, daß man was tun will, und tut es dann doch nicht.«
Floyd gab zu, daß er im Oval Office von der Rolle war. »Ich hab mich da drin völlig allein gefühlt und hatte schreckliche Angst«, sagte er. »Man muß schließlich bedenken, wie jung ich da war, wo ich herkam, und da gibt mir nun einer im Oval Office Ratschläge. Was sollte ich denn tun? Was anderes sagen? Ich mußte die Herausforderung annehmen. Ich hatte immer Angst, daß ich die Leute im Stich lasse, und jetzt war ich in einer Lage, wo ich mir Sorgen machen mußte, daß ich den Präsidenten im Stich lasse.«
Patterson kämpfte nun für das Gute, und Sonny, ob es ihm paßte oder nicht, für das Böse. Liston begriff seine Rollegut. »Ein Boxkampf ist wie ein Western«, sagte er. »Es muß die Guten und die Bösen geben. Dafür bezahlen die Leute – daß sie sehen, daß die Bösen geschlagen werden. Ich bin also der Böse. Aber ich mach’s anders. Ich laß mich nicht schlagen.«
Es war keineswegs selbstverständlich, daß Liston überhaupt die Erlaubnis bekam, gegen Patterson zu kämpfen. Der Madison Square Garden, noch heute die Boxarena mit dem höchsten Prestigewert in Amerika, kam gar nicht in Frage. Die New Yorker Behörden gingen (zu Recht) davon aus, daß Liston seine Verbindungen zur Mafia nicht gekappt hatte, und verweigerten ihm die Lizenz. Wo konnten sie hin? Dr. Charles Larson, der Präsident der United States National Boxing Association, sagte, er werde alles tun, um den Kampf zu verhindern. »Meiner Meinung nach ist Patterson ein hervorragender Vertreter seiner Rasse, und ich finde, daß der Weltmeister im Schwergewicht ein Mann sein sollte, zu dem unsere Kinder aufschauen dürfen, so wie sie es als Heldenverehrer immer getan haben«, sagte er. »Sollte Liston Meister werden, bevor er sich rehabilitiert hat, könnte das eine Katastrophe sein.« Aus derselben Ecke war zu hören, ein Sieg Listons wäre fürs Boxen schlimmer als der grausige Abend ein halbes Jahr zuvor, als Emile Griffith im Ring Benny »Kid« Paret tötete. Es bedurfte Sir David Harrington Angus Douglas’, des zwölften Marquis von Queensberry, eines Nachfahren des Erfinders der Boxregeln, den moralinsauren Geruch von dem Kampf zu nehmen. »Ich würde sagen, daß es keine so große Rolle spielt, ob Liston ein guter Mensch ist oder nicht. Wenn er augenblicklich nicht im Gefängnis ist, muß er rein rechtlich auch sauber sein. Wenn er ein guter Boxer ist, muß er auch dazu berechtigt sein, gegen Patterson zu kämpfen.«
Die Machenschaften des Boxbetriebs und seiner diversenKommissionen konnte Patterson ertragen oder ignorieren, nicht aber die Belange von Männern wie Ralph Bunche und Martin Luther King. Die Bürgerrechtsbewegung gewann im Süden an Dynamik und löste damit auch eine tiefgreifende Gegenbewegung aus, besonders im tiefen Süden, und die
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