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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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D’Amato war ein Boxasket. Er lebte vom Boxen, doch er verachtete Geld und verschenkte es. Geld, sagte er, sei dazu da, »hinten aus einem Zug geworfen zu werden«. Als Patterson den Titel gewann,nahm D’Amato den größten Teil seines Anteils der Einnahmen, über 30 000 Dollar, und bestellte dafür einen edelsteinbesetzten Meistergürtel als Geschenk für seinen Schützling. »Cus war bei allem im Leben verrückt, außer beim Boxen«, sagte José Torres. D’Amato war ein Paranoiker, der sich auskannte. Angst beherrschte ihn. Besonders fürchtete er sich vor der Mafia, die zu der Zeit das Boxgeschäft bestimmte – und er schlief mit einer Waffe unterm Bett. Nie fuhr er U-Bahn, aus Angst, auf die Gleise gestoßen zu werden. Er fürchtete sich vor Heckenschützen. Er fürchtete ungewohntes Essen und Trinken. Er sagte allen, er habe nie geheiratet aus Furcht, von »Feinden« betrogen zu werden.
    »Ich muß meine Feinde immer verwirren«, sagte er einmal. »Wenn sie verwirrt sind, kann ich für meine Kämpfer arbeiten.«
    D’Amato wuchs in der Bronx auf und hungerte als Junge tagelang, um so besser den Schmerz aushalten zu können, falls ihm jemand das Essen wegnähme. Wahrscheinlich war er der jüngste Fatalist im ganzen Borough. Er sah sich Leichenzüge vor seinem Haus an und sagte: »Je früher der Tod kommt, desto besser.« D’Amato war ein Straßenkind und ein Straßenkämpfer. Einmal schlug ihm ein anderes Kind mit einem Stock über den Schädel, worauf er auf dem linken Auge erblindete. Doch D’Amato glaubte, daß sich das Augengewebe regenerieren werde, und machte sein ganzes Leben lang Übungen zur Selbstheilung, kniff das heile Auge zu, um so das linke Auge zu »zwingen«, wieder zu sehen. Als Trainer sagte er seinen Boxern, Sicherheit, finanzielle wie auch andere, sei ihr Tod. Sicherheit trübe die Sinne, und Freude – Freude war noch schlimmer. »Je mehr Freude ihr am Leben habt«, sagte D’Amato, »desto mehr Angst vor dem Tod habt ihr.«
    Verglichen mit den meisten Boxtrainern und -managern,die gebetsmühlenhaft aufzählten, was ein Boxer zum Frühstück aß, wie viele Kilometer er lief und ähnliches Zeug, gab D’Amato mit seinen verschwitzten Philosophien und seinen komischen Angewohnheiten eine Menge her, und die Journalisten, die in sein Gramercy Gym kamen, konnten immer mit einer guten Geschichte rechnen. D’Amato las ausgerechnet Nietzsche und Bücher über Militärgeschichte, und daraus entstand dann eine Philosophie des Schmerzes und des Durchhaltens. Kurz nach seinem Erfolg mit
Die Nackten und die Toten
kam Norman Mailer in das Gym. Junge Zeitungsreporter – Gay Talese, Pete Hamill, Jack Newfield – kamen auch, wenn sie nichts schreiben mußten. Für sie war D’Amato der Moralist in Babylon, der einzige Boxmanager von Rang, der gegen die Gangster wetterte, die praktisch jeden Boxer, jede Arena in der Hand hatten. Sie schrieben über ihn, idealisierten ihn auch gelegentlich als eine authentische Gestalt, als den anständigen Trainer in dem
film noir
der Boxwelt der fünfziger Jahre. D’Amato hatte, wie Mailer einmal schrieb, »die begeisterte Art eines Heiligen, der nur arbeitet und nie kontempliert … Er erinnerte mich an eine bestimmte Art sehr harter italienischer Kinder, wie man ihnen früher in Brooklyn begegnete. Es waren reizende Kinder, kaum je gemein, und sie waren furchtlos, jedenfalls an ihren Taten gemessen waren sie furchtlos. Die hätten gegen jeden gekämpft.«
    Patterson war vierzehn, als er die Holztreppe in den zweiten Stock zum Gramercy Gym hinaufstieg. D’Amato sah sich immer gern an, wie die Jungen beim ersten Mal die Treppe heraufkamen. Er beobachtete ihren Gesichtsausdruck, dann wartete er darauf, wie sie am nächsten Tag kamen – wenn sie überhaupt kamen. Cus hielt mit seiner Philosophie nicht lange hinterm Berg. Kaum hatten Floyd und die anderen gegen ihren ersten Sandsack geschlagen,verlangte er von ihnen, in ihrem eigenen Kopf zu wühlen. Für andere Trainer waren Selbstzweifel ein Unding; bei D’Amato mußte ein Boxer sich selbst verstehen, sonst war er verloren. Ein Boxer wird nicht einfach so k. o. geschlagen, sagte er, er
will
k. o. geschlagen werden, sein Wille läßt ihn im Stich. »Angst ist etwas Natürliches, etwas Normales«, sagte er. »Die Angst ist dein Freund. Wenn ein Reh durch den Wald geht, hat es Angst. Auf diese Weise hält die Natur es wachsam, denn es könnte ja ein Tiger auf einem Baum sitzen. Ohne Angst könnten wir nicht

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