King of the World
seine verletzende Kritik zu verzeihen. Und so zahlte Ali es ihm mit gleicher Münze zurück. Er nannte Louis einen Onkel Tom und gelobte laut, er werde »nie so enden wie Joe Louis«. In einem Dokumentarfilm antwortete Ali auf Louis’ Kampfansage folgendermaßen: »Der langsame, schlurfende Joe Louis will mich schlagen? Er schlägt vielleicht hart, aber das heißt überhaupt nichts, wenn man nichts findet, was man schlagen kann. Ich bin kein unbeweglicher Kämpfer … Joe Louis hatte mal so was wie den ›Nulpe-des-Monats-Club‹. Die Männer, gegen die Joe Louis geboxt hat, wenn ich heute gegen die im Madison Square Garden antreten würde, die würden aus dem Ring gebuht.«
Mit der Zeit brauchte Ali Joe Louis nicht mehr, um seine Größe zu bestätigen, und indem Louis immer schwächer wurde, veränderte sich ihre Beziehung. Louis anerkannte Alis Fähigkeiten als Kämpfer, auch wenn er nach wie vor glaubte, er würde ihn noch schlagen, aber nicht so leicht, wie er Johnny Paycheck abgefertigt hatte. Mitte der siebziger Jahre lud Ali ihn in sein Trainingscamp ein und bot ihm 30 000 Dollar als Geschenk an.
Als Louis starb, erinnerte ein Reporter Ali an seine früheren Schwierigkeiten mit dem großen Champion. Doch derwollte davon nichts wissen. »Das habe ich nie gesagt, jedenfalls nicht so«, sagte Ali. »Das ist erniedrigend. Sehen Sie sich Joes Leben an. Jeder hat Joe geliebt. Wäre er böse gewesen, dann wäre er auch als böse gezeichnet worden, aber jeder hat Joe geliebt. Von den Schwarzen bis hin zu den Rednecks von Mississippi, alle haben sie ihn geliebt. Nun weinen alle. Das sagt doch alles. Howard Hughes mit allen seinen Milliarden stirbt, keine Träne. Joe Louis, alle weinen.«
So ruinös das Boxen für den Boxer ist, so wenig bestreitbar ist auch, daß ein Teil von Alis Reiz vom Boxen kam, davon, daß er in den Ring stieg, nackt bis zur Taille, ein schöner Mann, allein, im Kampf. Es ist völlig plausibel, daß er als Basketballspieler oder selbst als gepanzerter Halfback nicht weniger berühmt und lebhaft gewesen wäre. Aber der Boxer stellt eine unmittelbarere Form der Supermännlichkeit dar, und wenn sie noch so rückwärtsgewandt ist. Bei all seiner Begabung als Redner war Ali zuvorderst ein hervorragender Körperdarsteller mit einer ungeheuren sexuellen Präsenz. »Bin ich nicht schön?« fragte er immer wieder, und natürlich war er es. Ali hatte Glück gehabt. Hätte er das Gesicht Sonny Listons gehabt, ihm hätte viel von seinem Reiz gefehlt.
Als Ali mit zweiundzwanzig Weltmeister wurde und seine Zugehörigkeit zur Nation of Islam öffentlich machte, besaß er eine sexuelle Anziehungskraft wie später nie wieder. Am Abend des Kampfs sagte Gloria Guinness, eine Berühmtheit in der Modewelt, die für
Harper’s Bazaar
vom ersten Kampf gegen Liston berichtete, zu George Plimpton: »Für ihn wäre ich einfach
gestorben
.«
Und dennoch war Ali, anders als Jack Johnson, zunächst ein sehr zurückhaltendes Sexsymbol. Vor seinem Titelgewinnwaren seine Erfahrungen mit Frauen, nach allem, was man hörte, auch von ihm selbst, äußerst beschränkt. Ironischerweise entdeckte er seinen sexuellen Appetit erst, als er sich auch gerade als Black Muslim entdeckte.
»Ich schäme mich dessen, aber manchmal habe ich mich dabei ertappt, daß ich mir wünschte, ich hätte den Islam vielleicht erst fünf Jahre später entdeckt«, sagte er zu Alex Haley. »Bei den vielen Versuchungen, denen ich widerstehen mußte. Aber ich küsse sie nicht einmal, denn wenn man einander zu nahe kommt, ist es fast unmöglich aufzuhören. Sehen Sie, ich bin ein junger Mann in der Blüte seines Lebens. Alle möglichen Frauen, auch weiße, machen bei mir Annäherungsversuche. Mädchen bringen in Erfahrung, wo ich wohne, und klopfen bei mir um ein oder zwei Uhr morgens an die Tür. Sie schicken mir Bilder von sich und ihre Telefonnummer und sagen: ›Ruf mich bitte nur mal an.‹ … Es sind sogar auch schon Mädchen mit Schleier auf dem Kopf erschienen, ohne Make-up und so, und haben versucht, sich als Muslim-Schwestern auszugeben. Aber es ist bloß so, eine Muslim-Schwester würde so was nie machen.«
Vor seinem Titelgewinn war Alis Privatleben so verhalten, daß manche Sportjournalisten schon spekulierten, ob er möglicherweise insgeheim homosexuell sei. (»Na ja, wir haben uns eben alle gefragt, was das für einer ist, der keine Verabredungen hatte und ständig erzählte, wie schön er ist«, sagte einer.) Doch für seine
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