King of the World
größte seit Jenny Lind.«
Harts Unterausschuß maulte, richtig streng wurde er aber nicht. Die Senatoren förderten keinen Beweis für eine unziemliche Absprache zutage, erst recht keinen dafür, daß Schiebung im Spiel gewesen wäre, und stellten einem zweiten Kampf Ali gegen Liston nichts in den Weg. Das einzige Ergebnis war eine Reihe altvertrauter Vorsätze, die Vorschriften zu verschärfen – nicht gleich natürlich, aber schon sehr, sehr bald.
Liston trainierte für den Rückkampf in einem Karate- und Judoclub im Süden Denvers. Zum ersten Mal seit den Anfangstagen seiner Karriere schien er entschlossen, sich auf einen langen Kampf vorzubereiten. Frühmorgens fuhr er häufig in die Berge und rannte zum Schrein von Mutter Cabrini. Er lief die 350 Stufen zur Statue des Heiligen Herzens hinauf und machte dort Schattenboxen, ganz allein in der kühlen Bergluft. Als es Zeit wurde, sein Camp nach Neuengland zu verlagern, richtete sich Liston in White Cliffs ein, einem schönen alten Country Club in der Nähe des Plymouth Rock, von dessen Golfplatz man einen Blick auf den Atlantik hatte. Jeden Morgen rannte Liston wenigstens fünf Meilen durch die Dünen, nachmittags machte er dann im Turnraum seinen Übungsplan und sparrte. Um seine Beweglichkeit zu steigern, trainierte er sogar mit einem Kampfkunstlehrer. In Miami war Willie Reddish, sein Trainer,stinksauer auf ihn gewesen; er fand es unerträglich, wie sein Kämpfer sein Talent mit Whiskey und Prostituierten verschleudert hatte. Nun aber war Liston geradezu mönchisch gestimmt, wütend, darauf geeicht, Ali zu schlagen. Reddish sah einen neuen Liston, oder wenigstens den alten, den wilden Kämpfer, der Patterson zweimal in weniger als fünf Minuten aus dem Ring gefegt hatte.
Ende Oktober bearbeitete Liston eines Nachmittags einen Sparringspartner namens Lee Williams so gründlich, daß dieser durch den Ring taumelte und eine üble Platzwunde zwischen den Augen hatte, die achtmal genäht werden mußte. Das versetzte Liston, wenn auch nicht Williams, in beste Stimmung. »Blut ist für einen Kämpfer wie Champagner«, meinte Al Lacey, ein alter Trainer. »Es gibt seinem Ego so ein prickelndes Gefühl. Es ist gut für den inneren Kämpfer im Mann. Dempsey hat man gegen Ende seines Trainings alte Herren vorgesetzt, die er verprügeln konnte, und das war immer sehr belebend für ihn.« Andere Sparringspartner Listons gingen wieder, weil, so einer von ihnen, Dorsey Lay, »manche einfach keinen Sinn darin sehen, sich für fünfzig Mäuse am Tag das Gesicht ruinieren zu lassen«.
Ali trainierte nicht weniger hart. Rasch hatte er die Pfunde, die er auf seiner Afrikareise zugelegt hatte, wieder runter. Er begann mit einem Laufpensum, das noch strenger war als zuvor. Ali wirkte auch kräftiger, breiter als in Miami; sein Körper reifte, und dennoch wurde er mit seiner wachsenden Stärke nicht langsamer. Dundee hörte natürlich, daß Liston mit größerer Disziplin arbeitete, doch das schien ihn nicht zu stören. Liston wurde in Boston nicht jünger, so Dundees Gedanke. Auch hatte sich der stilistische Unterschied zwischen den beiden Boxern – ganz zu schweigen vom Altersunterschied – nicht verändert, und auch das Ergebnis würde sich nicht ändern: »Liston kauft einem alles ab. Er ist eineinspuriger Kämpfer. Mit einem zwei- oder gar vierspurigen Kämpfer, der vor und zurück und auch noch seitlich gehen kann, wird er nicht fertig.«
Die Buchmacher hielten den Kampf in Miami für einen Ausreißer. Die Welt, so kalkulierten sie, werde bald wieder ins Lot kommen. Eine Woche, bevor der Kampf im Boston Garden beginnen sollte, stand die Vegas-Quote neun zu fünf für Liston.
Auch die Promoter waren gehobener Stimmung. Im Gegensatz zu der wirtschaftlichen Katastrophe in Miami versprach der jetzige Kampf Profite. Die Fans würden neugierig auf einen Kampf zwischen einem verwundeten Liston und einer aufsteigenden Gestalt sein, die so schnell und laut war wie Ali. Die Vertreter des Boston Garden prophezeiten ein ausverkauftes Haus und eine Rekordeinnahme von fünf Millionen Dollar aus Übertragungs- und Rundfunkrechten. Also überall gute Kunde.
Drei Tage vor dem Kampf, es war Freitag, der 13. November, war Ali im Zimmer 611 des Biltmore und ruhte sich aus. Am Vormittag war er fünf Meilen gelaufen, doch das war alles gewesen. Er sparrte nun nicht mehr. Er hielt sich nun hauptsächlich im Hotel mit seinem wachsenden Troß auf – darunter sein Bruder, der sich nun
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