King of the World
daß er ein weiteres Jahr nicht überleben würde. Die Nation of Islam hatte ihm den Krieg erklärt; verschiedene Prediger verkündeten dies überall, von den Kanzeln in Chicago und Boston bis zu den Seiten von
Muhammad Speaks
. Malcolm traf alle nur möglichen Vorsichtsmaßnahmen. Als er in ein Fernsehstudio in New York ging, um ein Interview zu geben, war das Gebäude von Männern mit Schrotflinten bewacht. Bevor er auf Sendung war, rief er seine Frau in ihrem Haus in Queens an und sagte: »Laß die Dinger bei der Tür und laß keinen rein, bis ich komme.« Sechs Wochen später, am Valentinstag 1965, wurde auf Malcolms Haus eine Brandbombe geworfen. Die ganze Familie, Malcolm, Betty und ihre vier Töchter, entkamen ohne ernsthafte Verletzungen. Während das Feuer im Haus wütete, stand Malcolm auf der Straße, barfuß und im Schlafanzug, eine 25-mm-Pistole in der Hand. Er war wütend, aber nicht überrascht. Seit Monaten hatte Malcolm immer wieder gehört, die Nation habe Todeskommandos auf ihn angesetzt. Es gab Gerüchte von Autobomben und Killern; die Artikel in
Muhammad Speaks
bestätigten nur, was er schon wußte. Malcolm glaubte sogar, daß Elijah Muhammads Leute mit dem Klan und der amerikanischen Nazipartei zusammenarbeiteten, um ihn loszuwerden. Am 18. Februar rief er das FBI an – diejenige Behörde, die ihn mit solchem Eifer und über so lange Zeitüberwacht und schikaniert hatte – und sagte, es gebe ein Mordkomplott gegen ihn.
»Jetzt ist die Zeit für Märtyrer da«, sagte er zu dem Fotografen Gordon Parks. »Und wenn ich denn einer sein soll, dann für die Sache der Bruderschaft.«
Am 21. Februar sollte Malcolm im Audubon Ballroom im Manhattaner Stadtteil Washington Heights eine Rede halten. Nachdem er in einem Hinterraum kurz seinem Ärger und seinen angegriffenen Nerven Luft gemacht hatte, vorgeblich, weil keine Vorredner bereitstanden, ging Malcolm hinaus ans Rednerpult und begann mit dem traditionellen islamischen Gruß. Während die Menge in gleicher Weise antwortete, zündete ein Fahrer der Moschee Nr. 7 in Newark eine Rauchbombe und schrie: »Nimm die Hand aus meiner Tasche!« Während die meisten im Publikum sich danach umdrehten, kauerten sich drei Bewaffnete vor der Bühne hin.
»Halt!« brüllte Malcolm.
Dann fielen Schüsse. Malcolm wurde von mindestens einer Schrotladung getroffen und starb fast auf der Stelle. Er war neununddreißig Jahre alt. Ein Schütze, Talmadge X Hayer, wurde festgenommen, die beiden anderen entkamen.
Ein paar Stunden nach den Schüssen brannte es in Alis Wohnung in der South Side von Chicago. Der Brand wurde als Unfall dargestellt. »Da hat eine Tagesdecke auf dem Fußboden Feuer gefangen«, sagte Ali gegenüber der Presse. »Elijah warnte vor schlechter Publicity und sagte, das würde die schwachen Anhänger auf die Probe stellen. Es werden weitere Tests kommen, und die wahren Gläubigen werden überleben. Die Weißen haben alle Flugzeuge und alle Kugeln, aber ich habe keine Angst vor ihnen. Warum sollte ich da Angst vor den Schwarzen haben?« Zwei Tage danachexplodierte eine Bombe vor der New Yorker Moschee der Nation, und in dem anschließenden Feuer brannte die Moschee vollständig nieder.
Weder Elijah Muhammad noch Muhammad Ali zeigten sich über Malcolms Tod befriedigt, aber Anteilnahme drückten sie auch nicht aus. »Malcolm X war mein Freund, und er war der Freund aller, solange er Mitglied der Nation war«, sagte Ali. »Ich möchte jetzt nicht über ihn sprechen. Wir waren alle schockiert darüber, wie er getötet wurde. Elijah Muhammad hat bestritten, daß die Muslims verantwortlich dafür waren. Wir sind nicht gewalttätig. Wir haben keine Waffen.«
»Malcolm starb, wie er gepredigt hat«, sagte Elijah Muhammad am 26. Februar auf einer Versammlung in Chicago. »Er predigte Gewalt, und an Gewalt ist er nun zugrunde gegangen.«
Nachdem Ali sich von seiner Operation erholt hatte, trainierte er schon mal ein wenig in Miami und beschloß dann, am 1. April nach Neuengland abzureisen. Es war vorgesehen, mit seinem Bus von Miami zum Trainingszentrum in Chicopee Falls, Massachusetts, zu fahren. Zusätzlich zu der zwölf Personen umfassenden Entourage, zu der seine Sparringspartner Cody Jones und Jimmy Ellis, seine Frau Sonji und diverse Freunde, Köche und Adjutanten gehörten, lud Ali auch noch ein paar Journalisten ein: Edwin Pope vom
Miami Herald
, Mort Sharnik und George Plimpton von der
Sports Illustrated
sowie Bud Collins vom
Boston Globe
.
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