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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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McKinney, der diesmal nicht in Listons Camp in Neuengland war, sagte: »Sonny hatte mit Thad Spencer und Amos ›Big Train‹ Lincoln gesparrt, und er hatte ihnen die Scheiße aus dem Leib geprügelt. Aber nach diesem Besuch war Sonny ein Zombie, und die zwei Sparringspartner zerlegten ihn. Schließlich sagte Joe zu ihnen, er bezahle ihnen das Doppelte, wenn sie Sonny nur gut aussehen lassen würden.« Viele andere Kolumnisten jedoch fanden den Gedanken, Liston könne von den Muslims eingeschüchtert worden sein, lächerlich. »Sonny hatte doch die verdammte
Mafia
in seiner Ecke«, sagte Larry Merchant, damals noch bei der
Philadelphia Daily News
. »Warum sollte er vor zwei Kerlen mit Fliege Angst haben, wo er doch das Produkt der härtesten Jungs im ganzen Land war?«
    Die weißen Reporter in der Stadt wurden wegen der neuen und unübersehbaren Präsenz der Muslims um Ali nervös. Cannon und Gross und selbst manche der jüngeren Reporter fanden die Muslims mit ihren Fliegen und dem stahlharten, theatralischen Blick der heiteren Karnevalsatmosphäre, die sie von einem Titelkampf im Schwergewicht erwarteten, wenig zuträglich. Sogar der stets so gefällige Angelo Dundee wurde nervös. Einmal ging er zu einer der Muslim-Frauen in Alis Camp, um sich bei ihr zu bedanken, daß sie ihm ein Hemd genäht hatte; dabei legte er der Frau die Hand leicht auf den Arm. Rahaman Ali rief Dundee streng zu sich.
    »Kommen Sie mal mit«, sagte er. »Legen Sie nie wieder die Hand auf eine der Schwestern.«
    »In Miami hielten sich die Black Muslims noch ziemlich im Hintergrund, aber in Lewiston waren sie ungeheuer präsent«, erinnerte sich Robert Lipsyte. »Überall sah man diese hochgewachsenen, kräftigen, nüchternen Muslims mit dem leuchtenden Blick. Die haben sogar versucht, den Reportern für ein Interview mit Ali Geld rauszuleiern. Die meisten waren ehemalige Sträflinge, weil damals viel in den Knästen rekrutiert wurde.«
    Als die Reporter immer mehr Berichte über die bedrohliche Atmosphäre schrieben, reagierten die Lewistoner Behörden mit gesteigerten Sicherheitsmaßnahmen. Bei Pressekonferenzen und später auch beim Kampf selbst wurde jeder sorgfältig durchsucht. Melvin Durslag vom
Los Angeles Herald-Examiner
schrieb, daß die Polizei sogar die Stricknadeln seiner Frau konfiszierte. Der Polizeichef von Lewiston, Joseph Farrand, schickte 250 Beamte auf Streife, darunter Hilfssheriffs, Nationalgardisten und neunzig Mann Reserve aus benachbarten Countys. Am Abend des Kampfs stellte er noch weitere fünfundvierzig Sicherheitsleute bereit. Aus New York traf ein Sondertrupp des Morddezernats ein. Keine Vorsichtsmaßnahme, so schien es, war zuviel. »Ich will nicht, daß die Stadt in die Geschichte als diejenige eingeht, in der der Schwergewichtschampion umgebracht wurde«, sagte Chief Farrand.
    Es gab auch Momente von eigenartiger Komik. In Chicopee Falls trainierte Ali in einem Ballsaal im Schine Inn. Der behelfsmäßige Boxraum lag direkt über einer Bowlingbahn, und während des ganzen Trainings wurde Alis Stimme immerzu vom Krachen der Bowlingkugeln und Kegel überlagert. Seine Entourage reichte von abgehärteten Mitgliedern der Black Muslims bis zu dem alten Vaudeville-Komiker Stepin Fetchit. Ali nannte Fetchit seinen »Geheimstrategen«, weil es nämlich hieß, Fetchit sei mit seinen dreiundsiebzigalt genug, um Alis historisches Vorbild Jack Johnson gekannt zu haben. Fetchit, der als Lincoln Theodore Monroe Andrew Perry geboren wurde, weil sein Vater ihn nach vier Präsidenten benennen wollte, fungierte als Aufwärmnummer und Conférencier. Fetchit hatte in Dutzenden von Filmen von den zwanziger bis in die fünfziger Jahre mitgespielt, darunter in
Dampfschiff an der Flußbiegung
und
Wem die Sonne lacht
. Anfang der zwanziger Jahre, als er in Texas lebte, hatte er sich nach dem Pferd genannt, das dasjenige geschlagen hatte, auf das er seine gesamte weltliche Habe gesetzt hatte. Fetchit hatte beim Film ein beträchtliches Vermögen verdient (»Eines meiner Häuser war so groß, wenn es in der Küche drei Uhr war, war es im Wohnzimmer fünf«), doch Anfang der sechziger Jahre war er in Chicago zum Sozialfall geworden. In den Tagen vor einem großen Kampf streichen die Journalisten verzweifelt um die Camps auf der Suche nach Stimmen und Meinungen. Fetchit hatte, anders als die grimmigen Muslims, immer viel zu erzählen. Vielleicht weil er selbst ein so verschmitzter Schauspieler gewesen war, hatte Fetchit einen Sinn für

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