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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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fand, Bundinis Gesicht ähnele der traditionellen Maske der Tragödie. Als Ali schließlich sah, wie fertig Bundini war, beruhigte er ihn und scherzte mit ihm, bis sie wieder Brüder waren.
    Alis wackliger Bus hielt bis Fayetteville, North Carolina, durch, wo er den Geist aufgab und stehengelassen werden mußte. Die Gruppe mußte die Reise per Trailways fortsetzen.
    »Mein armer kleiner roter Bus«, sagte Ali. »Du warst der allerberühmteste Bus, den es auf der Welt je gegeben hat.«
    Fünfzig Stunden später erreichten sie Chicopee Falls.
    »Ich bin Cassius Clay«, verkündete Muhammad Ali amEmpfang des besten Motels der Stadt. »Geben Sie mir die Sechzig-Dollar-Suite.«
    »Aber da ist schon jemand drin«, sagte der Mann.
    »Na, dann holen Sie ihn raus. Hier ist der Größte.«
     
    Anfang Mai, es waren nur wenige Wochen bis zum Kampf, beschloß die Boxbehörde von Massachusetts in einer seltsamen Anwandlung von Moralismus, den Kampf in ihrem Staat nicht stattfinden zu lassen, da man fürchtete, sich bei Promotern möglicherweise mit zweideutigen Referenzen und vielleicht (was wußte man schon?) organisiertem Verbrechen zu infizieren. In die Bresche sprangen Behördenvertreter von Maine, die auf die Publicity und das Geld scharf waren. Sie boten St. Dominic’s an, eine Schulhockey-Halle in der verarmten Textilstadt Lewiston. Die Stadt liegt fünfzig Kilometer nördlich von Portland und verströmt nicht sonderlich viel Glamour. Die 41 000 Einwohner waren überwiegend Franko-Kanadier; es gab genau zwei Hotels und ein Nachtlokal. Henry Hollis vom Hotel Hollis’ Leopard Room mietete für den Mai noch eine zusätzliche Stripperin an. »Wir nennen sie Tänzerinnen«, sagte er. »Das klingt besser. Die Stadt ist klein. Sie kann sich nur eine Strip… äh,
Tänzerin
leisten.«
    In der St. Dominic’s-Halle war nur Platz für 5000 Seelen. Seit dem Unabhängigkeitstag 1923, als Jack Dempsey gegen Tommy Gibbons in Shelby, Montana, kämpfte, hatte es einen kleineren Austragungsort für einen Titelkampf im Schwergewicht nicht gegeben. Shelby war ein heruntergekommenes Kuhdorf mit 500 Einwohnern. Dempseys Manager Jack »Doc« Kearns überredete die Stadtväter, Dempsey eine Garantiesumme von 300 000 Dollar im voraus zu zahlen (Gibbons bekam nichts). Nur 7000 Zuschauer kamen, und Dempsey lieferte einen erbärmlichen Kampfab, tat gerade so viel, daß es für einen Punktsieg nach fünfzehn Runden reichte. Als der Kampf vorbei war, flohen Kearns und Dempsey in einem Zug, den Kearns für den Fall einer solchen Katastrophe bereitgestellt hatte.
    Doch während der Dempsey-Kampf Shelby praktisch ruinierte, ging Lewiston kein großes Risiko ein; das meiste Geld für den Ali-Liston-Kampf kam ohnehin aus Medienrechten. Es war sogar von Vorteil, den Kampf in Maine auszutragen. Nun würde Massachusetts nicht von der Direktübertragung ausgespart sein.
    Der vierundzwanzigjährige Bürgermeister von Lewiston fand Boxen zwar abgeschmackt, glaubte aber, die Publicity werde von unschätzbarem Wert sein. Er merkte bald, daß sein ruhiges Städtchen jetzt im Zentrum einer eher morbiden Aufmerksamkeit stand: düstere Attentatsgerüchte waberten durch jede Zeitung des Landes. Von der Polizei, den Reportern, den Städtern, den Boxcamps wurden alle erdenklichen Gerüchte in die Welt gesetzt, nicht zuletzt auch von Harold Conrad, jenem unverwüstlichen Publizisten, der dem Ereignis nur zu gern eine Aura des Bedrohlichen verlieh, um desto mehr Karten für die Kinos, in denen der Kampf übertragen wurde, zu verkaufen. Einem Gerücht zufolge hatten die Anhänger Malcolm X’ ein Killerkommando in einem roten Cadillac nach Lewiston in Marsch gesetzt, um Ali zu töten, möglicherweise im Ring, möglicherweise aber auch schon vorher. Jimmy Cannon griff das Gerücht auf, nachdem er es von Conrad gehört hatte, und brachte es groß in seiner Kolumne. Das wiederum veranlaßte natürlich den Sportredakteur der
New York Post
, Ike Gellis, zum Hörer zu greifen und bei Milton Gross anzufragen, wo denn seine Mord-und-Totschlagsgeschichte bleibe. Die komme schon noch, beteuerte Gross, und er habe ja noch nicht mal die
halbe
Geschichte gehört.
    Einem anderen Gerücht zufolge hatte die Nation of Islam gedroht, Liston umzubringen, sollte er sich nicht freiwillig auf die Matte legen. Listons Betreuer Joe Pollino sagte Jack McKinney gegenüber, Liston habe tatsächlich Besuch von zwei Black Muslims bekommen, und danach habe Liston nahezu »katatonisch« gewirkt.

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