King of the World
betrunken«, sagte Liston mit einigem Recht.
Während ein paar Reporter johlten, ging Mailer hinters Podium, als wollte er das Gespräch direkt mit Liston fortsetzen. Ein paar von Listons Leuten stellten sich ihm in den Weg und gaben dem Autor den Rat, sich Mr. Liston niemalsvon hinten zu nähern. Mailer wartete, während Liston sich anderen Fragen zuwandte, ging dann vor zum Champion und fuhr da fort, wo er aufgehört hatte.
»Was haben Sie gemacht?« sagte Liston. »Haben Sie sich noch was zu trinken geholt?«
»Liston, ich sage noch immer, daß Floyd Patterson Sie schlagen kann.«
»Jetzt seien Sie doch nicht so ein schlechter Verlierer.«
»Sie haben mich Nulpe genannt«, sagte Mailer.
Liston lachte. »Aber Sie sind doch eine Nulpe«, sagte er. »Jeder ist eine Nulpe. Ich auch. Ich bin bloß eine größere Nulpe als Sie.« Liston stand auf und hielt ihm die rechte Hand hin. »Schlag ein, Nulpe«, sagte er.
Mailer zog Liston an der Hand zu sich her und sagte: »Ich zieh diese Nummer nicht ohne Grund ab. Ich weiß, wie man den nächsten Kampf von einer Zweihunderttausend-Dollar-Pleite in Miami zu einem Zwei-Millionen-Ding in New York aufbauen kann.«
»Na, das letzte Glas hat Sie ja richtig wach gemacht«, sagte Liston. »Wie wär’s, wenn Sie mir auch was bringen würden, Sie Nulpe?«
»Ich bin nicht Ihr Laufbursche«, sagte Mailer.
Mailer glaubte, er habe sich bei Liston Respekt verschafft, und auch der Klang von Listons Lachen schmeichelte ihm. »Die Andeutung eines keckernden, eines blöden alten Niggerlachens, ein Kichern wie von den Baumwollfeldern lugte ganz kurz aus seiner Kehle« – so formulierte Mailer es in seinem
Esquire
-Artikel.
Liston dagegen war alles andere als geschmeichelt. Hinterher bezeichnete er Mailer immer wieder als »dieser Besoffene« und »das Arschloch, das versucht hat, mir meine Pressekonferenz kaputtzumachen«. Er hatte bei den Reportern einen guten Eindruck machen wollen, doch dann war dasgroße Ereignis, das dann die Zeitungen beherrschen sollte, nicht er, sondern Mailer gewesen.
Liston verbrachte den Rest des Tages damit, sich zu entspannen, zu essen und mit Geraldine, seinem Freund Jack McKinney und seiner Entourage fernzusehen. McKinney wollte es nicht sagen, doch er machte sich Sorgen darüber, wie Liston wohl in Philadelphia empfangen werden würde. Der Bürgermeister, James H. J. Tate, hatte ihm ein Telegramm voller Glückwünsche geschickt, das aber auch unübersehbar herablassende Anspielungen und sogar eine Warnung enthielt: »Ihre Leistung macht deutlich, daß die Vergangenheit eines Mannes nicht seine Zukunft diktieren muß. Ich weiß, daß alle Philadelphier Ihnen, ebenso wie ich, die besten Wünsche für eine erfolgreiche Regentschaft übermitteln und daß Sie die Krone in der guten Tradition der Philadelphier Champions vor Ihnen tragen werden.«
Liston hatte keinen Grund, von den Menschen in Philadelphia überschäumende Zuneigung zu erwarten. Erst kurz vor dem Kampf gegen Patterson hatte er sich wieder so viel Ärger eingehandelt, daß sein Knacki-Image zementiert wurde. Spätnachts fuhr Liston mit einem Freund aus seinem Viertel in Fairmont Park herum. Sie sahen eine Frau in einem schwarzen Cadillac, und Listons Freund glaubte, sie könne eine Prostituierte sein. Liston holte den Cadillac ein. Die Frau, die in Wahrheit bei der Schulbehörde arbeitete, glaubte, Liston sei ein Polizeibeamter, und hielt an. Genau in dem Moment näherte sich ein Streifenwagen. Liston geriet in Panik und brauste mit hundert Stundenkilometern davon. Immer wieder hatte Liston, seit er nach Philadelphia gezogen war, Ärger mit der Polizei gehabt; einmal war er sogar verhaftet worden, weil er an einer Straßenecke herumgestanden hatte. Jeder Polizist in der Stadt hatte ein Bild vonListon auf der Sonnenblende. Wie sich zeigte, war die Verhandlung gegen Liston wegen des »
lark in the park
«, des »Scherzes im Park«, ein Reinfall – die diversen Anklagen wurden entweder abgewiesen oder endeten mit einem Freispruch –, doch in den Zeitungen, besonders in denen Philadelphias, dem
Inquirer
, dem
Bulletin
und dem Massenblatt
Daily News
, war er wieder einmal der Rabauke, der nichts bereut. Und als Liston dann zu Hause anrief, um sich nach der Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, zu erkundigen, las ihm ein Freund Larry Merchants vernichtenden Kommentar in der
Daily News
vor: »Es stimmt also – in einem fairen Kampf zwischen Gut und Böse muß das Böse siegen … Eine
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