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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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Feier zu Ehren von Philadelphias erstem Schwergewichtschampion steht nun an. Emily Post würde wahrscheinlich zu einer Konfettiparade raten. Als Konfetti können wir dann die Schnipsel aus seinen Haftbefehlen nehmen.«
    Liston sollte am folgenden Tag nach Philadelphia abfliegen, und während er schlief, schlug sich McKinney die halbe Nacht am Telefon um die Ohren, um einen ordentlichen Empfang auf die Beine zu stellen. Doch nachdem er mit einer Reihe von Kontaktpersonen im Rathaus gesprochen hatte, war ihm klar, daß Bürgermeister Tate beschlossen hatte, Liston zu ignorieren.
    Am Nachmittag darauf, als sie im Flugzeug saßen, bat Liston McKinney, sich zu ihm zu setzen, und beim Essen beschrieb Liston ihm, wie er sich seinen Auftritt als Champion gedacht hatte und was er den Menschen und der Presse in Philadelphia sagen wollte. Er erzählte, wie er als Kind Joe Louis’ Kämpfe im Radio verfolgt und der Kommentator gesagt habe, Louis gereiche seiner Rasse und auch der menschlichen Rasse zur Ehre – der alte Jimmy Cannon-Spruch –, und wie ihn das innerlich gewärmt habe. Er sagte, er wolleden Präsidenten besuchen und die NAACP für sich gewinnen, auch wenn alle auf einen Sieg Pattersons gesetzt hätten.
    »Ich möchte eine ganze Menge tun«, sagte Liston zu McKinney. »Eines aber ist mir sehr wichtig: Ich will meine Leute erreichen. Ich will sie erreichen und ihnen sagen: ›Habt keine Angst, daß ich euch Schande bereiten könnte. Ihr braucht keine Angst zu haben, daß ich eurer Entwicklung im Wege stehe.‹ Ich möchte in farbige Kirchen und farbige Viertel gehen. Ich weiß, es hat in der Zeitung gestanden, daß die bessere Schicht der Farbigen gehofft hat, ich würde verlieren, sogar darum gebetet hat, weil sie befürchteten, ich wüßte nicht, wie ich mich zu benehmen habe … Ich will damit nicht sagen, daß ich einfach bloß der Champion meiner Leute sein werde. Es heißt ja doch, daß ich der Champion der
Welt
bin, und genauso soll es auch sein. Ich will viele Einrichtungen besuchen – Waisenhäuser, Besserungsanstalten. Ich werde sagen können: ›Junge, ich weiß, es ist hart für dich, und es könnte wohl noch härter werden. Aber gib dich nicht auf. Wenn du es zuläßt, können auch gute Dinge geschehen.‹«
    Praktisch keinem anderen Reporter gegenüber hätte Liston es gewagt, sich so nachdenklich zu zeigen wie nun gegenüber McKinney. Die anderen, meinte er, hielten ihm immer seine Vergangenheit vor. Doch bei McKinney war er entspannt. McKinney war ein umgänglicher, urbaner Typ, eine Art Renaissancemensch aus Philly, der über Sport und klassische Musik schrieb, der sogar selbst zu boxen anfing und einmal auch mit Liston sparrte. McKinney glaubte, während er Liston zuhörte, daß es ihm ernst damit war, und der Gedanke an den Schmerz, den er bald erleben würde, brachte ihn fast um. Als das Flugzeug sich dann im Landeanflug befand, war McKinney den Tränen nahe, Tränen der Wut und Verzweiflung.
    Das Flugzeug landete. Die Tür ging auf. Liston trat als erster hinaus und blickte aufs Rollfeld hinab. McKinney sah, wie Listons Adamsapfel ruckte und ein Schauder seine Schultern durchlief. Auf dem Rollfeld stand keine Menge, keinerlei Empfang, nur das Bodenpersonal, das halbherzig seiner Arbeit nachging. Liston rückte seine Krawatte zurecht und setzte seinen Hut auf, ein Trilby mit einer kleinen roten Feder im Hutband. »Man sah buchstäblich, wie Sonny zusammenfiel wie ein Luftballon, aus dem die Luft entweicht«, sagte McKinney. »Es dauerte gut eine Dreiviertelminute oder sogar eine ganze, bis er diesen Anblick verdaut hatte, sich bestätigte, daß da nichts war, aber dann richtete er sich auch schon wieder auf, seine Schultern hoben sich, als sagte er zu sich: ›Na, wenn das so wird …‹ Es war unglaublich. Nicht einmal ein drittrangiger Laufbursche aus dem Rathaus war gekommen, ganz zu schweigen vom Bürgermeister oder dem Stadtschlüssel von Philadelphia.«
    Liston hielt sich im Terminal noch kurz mit ein paar Reportern auf und fuhr dann nach Hause. Auf dem Weg nach West Philly sagte er zu McKinney: »Ich glaube, morgen stehe ich einfach auf und mache alles so, wie ich es schon immer gemacht habe. Geh an die Ecke und kauf mir die Zeitungen, schau kurz in die Drogerie rein, rede mit den Nachbarn. Dann sehe ich ja, wie die wirklichen Leute es finden. Vielleicht fühle ich mich dann wie ein Champion. Weißt du, das ist eigentlich genau wie bei einer Wahl, bloß umgekehrt. Ich bin schon im Amt,

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