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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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Transportarbeitern. In solcher Gesellschaft wußte Liston, wie er sich zu benehmen hatte.
    Einer der wenigen Kolumnisten, die den Versuch unternahmen, Listons Aufstieg zum Champion als etwas anderes als eine Beleidigung der amerikanischen Gesellschaft und der empfindsamen Seele ihrer Bürger zu sehen, war Murray Kempton von der
New York Post
. Kempton war ein Mandarin unter den einschlägigen Kolumnisten, er war bewandert in so unterschiedlichen Themen wie etruskische Mosaiken und die inneren Angelegenheiten der Fünf (Mafia-)Familien. Kempton besuchte Sportereignisse ähnlich wie ein Herzog, der sich in die Niederungen des Lebens hinabbegibt; er tat es selten, aber dann stilvoll und geschichtsbewußt. In Liston sah er einen Mann, »dessen Erfahrungen mit der amerikanischen Gesellschaft auf die Transportarbeitergewerkschaft, das Gefängnis und den Boxsport beschränkt waren«. Mit seinem Stil des neunzehnten Jahrhunderts gelangen Kempton hämische Seitenhiebe gegen jene, die über das Profiboxen und seine Champions mit dem Gehabe des Moralisten urteilten. »Die Negerschwergewichtler haben, wie die Neger es gern tun, zumeist den Eindruck vermittelt, als Männer über ihrem Beruf zu stehen«, schrieb er. »Floyd Patterson klang wie ein Freedom Rider (damals: einer, der die Integration in öffentlichen Einrichtungen usw. überprüft). Mit Liston kehren wir in die Wirklichkeit zurück … Endlich haben wir einen Schwergewichts-Champion, der das moralische Niveau der Männer besitzt, die über ihn verfügen. Das ist der Ursprung des Schreckens, den Liston ausgelöst hat; er ist das perfekte Symbol des Boxens. Er sagt uns die Wahrheit darüber. Die Weltmeisterschaft imSchwergewicht ist schließlich doch ein recht schmutziges Geschäft …« Kempton hatte nicht die Illusion, daß Liston eine Art verkannter Chorknabe war; dennoch entdeckte er in der Widerwärtigkeit des Champions reformistische Möglichkeiten. »Liston«, so schrieb er, »hat schon dazu beigetragen, daß wir als Land erwachsen geworden sind, denn er ist der erste moralisch minderwertige Neger, den ich kenne, dem Chancengleichheit gewährt worden ist. Er wird dazu beitragen, daß wir noch erwachsener werden, wenn er die Illusion zerstört, daß ein Mann, dessen Beruf es ist, gegen Geld einen anderen Mann bewußtlos zu schlagen, ein Bild repräsentiert, das, koste es, was es wolle, für die amerikanische Jugend rein gehalten werden muß.«
    Anders als so manche neuen Champions trat Liston sein Amt nicht als einer an, dem die Öffentlichkeit völlig fremd war. Er war schon ziemlich oft im Fernsehen gewesen, hatte Leute wie Eddie Machen, Cleveland Williams und Roy Harris verprügelt, seinen lebhaftesten persönlichen Eindruck hatte er aber als Zeuge vor dem Unterausschuß des Senats für Kartelle und Monopole hinterlassen, dessen Vorsitzender Estes Kefauver war, ein Demokrat aus Tennessee. Kefauvers politische Karriere hatte 1951 einen gewaltigen Sprung gemacht, als er bei einer Reihe von Anhörungen über das organisierte Verbrechen den Vorsitz hatte. In der Folge des ungeheuren Widerhalls, den diese Anhörungen erlebt hatten, bewarb er sich 1952 um die Nominierung als demokratischer Präsidentschaftskandidat, unterlag aber gegen Adlai Stevenson. 1956 ging Kefauver dann mit Stevenson für die Demokraten ins Rennen, unterlag aber erneut.
    Gewiß, Boxen war ein begrenzterer Gegenstand als das organisierte Verbrechen, aber dennoch ein recht naheliegender, ein auffälliges Ziel, das kaum zu verfehlen war. Die Perfidie des Geschäfts war weithin bekannt. Während der fünfzigerJahre lasen sich die Artikel Dan Parkers im New Yorker
Daily Mirror
oder Jimmy Cannons in der
Post
wie eine detaillierte Klageschrift gegen eine schmutzige Branche, die ausschließlich von Mobstern geführt wurde – hauptsächlich italienischen und jüdischen. Nach dem Krieg gab es keinen einzigen Champion, bei dem die Mafia nicht in irgendeiner Weise die Hand im Spiel hatte, wenn sie ihn nicht gar ganz besaß und steuerte. Kefauver beabsichtigte (mit beträchtlicher Unterstützung durch seinen Chefankläger, John Gurnee Bonomi), dies zu beweisen und eine Reform des Boxens zu initiieren.
    Listons Auftritt vor dem Komitee war weniger bedeutsam wegen der Details, die er zu seinen eigenen Verhältnissen lieferte – die meiste Zeit schützte er entweder Unwissenheit vor oder demonstrierte sie –, nein, viel bemerkenswerter war, wie Liston sich selbst darstellte, nämlich als Mann mit

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