King of the World
muß aber jetzt erst Wahlkampf machen.«
Nach ein paar Wochen war Liston klar, daß von der NAACP kein positives Signal kommen würde. Es gab keine Parade. Keine Einladung ins Weiße Haus. Seine Hoffnungen schlugen in Verbitterung um. »Ich hab ja nicht erwartet, daß der Präsident mich ins Weiße Haus einlädt und mich neben Jackie sitzen und mit den hübschen Kennedy-Kindernbalgen läßt«, sagte er zu seinem Sparringspartner Ray Schoeninger, »aber daß sie mich wie eine Kanalratte behandeln, das hätt’ ich nicht erwartet.«
KAPITEL 3
MR. FURY UND MR. GRAY
John Carbo (mit Brille) nach seiner Verhaftung
auf der Polizeiwache Elizabeth Street.
Rechts: Detective Nicholas Barrett.
Jahre später, als Liston seine Zeit mit Daumenbrechern und Kasinovögeln in Las Vegas zubrachte, spürte er, daß sein Leben bald vergessen sein würde. Die Geschichte von Boxern ist die Geschichte von Männern, die als Beschädigte enden: der große Sam Langford, der zu Beginn des Jahrhunderts von der »Rassenschranke« gehindert wurde, um den Titel zu kämpfen, und schließlich blind und verarmt starb; Joe Louis, der kokainsüchtig wurde und auf der Flucht vor dem Finanzamt war; Beau Jack, der als Schuhputzer im Hotel Fontainebleau endete; »Two Ton« Tony Galento, der mit einem Kraken rang und mit einem Känguruh boxte, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Liston wußte, daß er etwas Besseres nicht erwarten konnte. »Irgendwann schreibt einer mal einen Bluessong nur für Boxer«, sagte er einmal. »Für langsame Gitarre, leise Trompete und einen Gong.« Listons Leben war von Anfang bis Ende mies, gesteuert von gleichgültigen Zeitgenossen, und daher ist ein trauriger Blues, ein Instrumental, so wie er es arrangiert hat, wohl genau das Passende.
Der Vorfall am Flughafen von Philadelphia war kein falsches Vorzeichen für seine Regentschaft als Champion. Liston konnte sich die Verehrung an den Hut stecken, und anerkannt wurde er nur von eingefleischten Boxfans, die ihn nun für unbezwingbar hielten. Muhammad Ali sollte sich über seinen Sport erheben, nachdem er ihn beherrscht hatte, doch Liston war Boxen pur und, in den Augen der Öffentlichkeit, nur Boxen. Er war auch eine Zielscheibe des Spotts, der Witz des Tages in den Revolverblättern. Viele bedienten sich freizügig bei der ganzen Palette rassistischer Tropen,um sich ihren Spaß zu machen. Er war der Rabauke, der Affe, der Wilde, das Monster aus dem Alptraum; er war das gefährliche Tier, das man sich in seinem gesicherten Käfig für Geld ansah. Jim Murray, ein Kommentator der
Los Angeles Times
, schrieb, die Erkenntnis, daß Liston nun Champion war, sei vergleichbar damit, »daß man eine lebendige Fledermaus an einer Schnur am Weihnachtsbaum entdeckt«. Arthur Daley, der Kolumnist der Sportseite der
New York Times
, der den Pulitzerpreis für Kommentare erhalten hatte, wollte seinen Lesern mitteilen, daß Liston noch fürchterlicher war, als sie sich überhaupt vorstellen konnten. »Die Öffentlichkeit hat instinktiv etwas gegen Liston, und das ist zutiefst unfair«, schrieb Daley. »Der gewöhnliche Boxfan kennt den Mann nicht einmal. Man muß Liston wirklich kennen, um mit der angemessenen Intensität etwas gegen ihn zu haben. Er ist arrogant, grämlich, gemein, grob und überhaupt ganz furchteinflößend. Er ist der letzte, dem man im Dunkeln auf der Straße begegnen möchte.« Beim
Esquire
spielte man mit der Idee, Liston als Antichristen darzustellen; George Lois, der Art Director, machte ihn als finster dreinblickenden Weihnachtsmann auf – ein Bild, das zum berühmtesten Cover in der Geschichte der Zeitschrift wurde.
So gefürchtet Liston im Ring auch war (zwei Minuten, sechs Sekunden!), konnte man ihn doch ohne Furcht vor Repressalien verspotten. Niemand war darin hemmungsloser als der Verein, dem er gehörte. Einmal lief Liston in einem Hotel in Los Angeles einem Bekannten über den Weg, Moe Dalitz, einem der mächtigsten Mob-Größen von Las Vegas, ehedem im Alkoholschmuggel tätig. Zum Spaß hielt Liston ihm eine spielerisch geballte Faust entgegen. Dabei handelt es sich um eine alte, freundlich gemeinte Konvention unter Boxern, und dennoch sagte Dalitz darauf zu Liston: »Wenn du mich schlägst, Nigger, dann bring micham besten gleich um, denn wenn nicht, telefonier ich einmal kurz, und vierundzwanzig Stunden später bist du tot.« Liston gab keine Antwort. In Las Vegas war Dalitz ein Mafiagott, ein Bindeglied zu den
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