King of the World
Sachen gemacht, und davon bin ich in der falschen Schule gelandet – na ja, im Jugendgefängnis.«
Mit sechzehn war Liston über einen Meter achtzig groß und wog über neunzig Kilo. Er trieb sich mit den schlimmsten Jungen seines Viertels herum, stahl in Lebensmittelgeschäften und Restaurants. »Als Junge hatte ich nichts außer meinen Fäusten und meiner Kraft«, sagte Liston. »Ich hattenichts zu essen. Ich hatte hier mal ’nen Tag und da mal ’nen Tag gegessen, aber Essen, das kann man sich schlecht abgewöhnen. Na egal, da kommen also diese Jungs an, und die hatten die klasse Idee, einen Laden auszuräumen. Hinterher hab ich dann bloß den großen Teller voll mit Essen gesehen, und wenn wir ’ne Knarre dazu brauchten, dann war das auch okay.« Sonny war ein lausiger Krimineller. Er trug so oft das gleiche gelb-schwarz karierte Hemd, daß er bei der Polizei als der »Yellow Shirt Bandit« bekannt wurde.
Sein erster Eintrag im Register der St. Louiser Polizei erfolgte kurz nach Weihnachten 1949. Liston und zwei seiner Kumpel überfielen in der Nähe des Mississippi-Ufers einen Angestellten. Auf den Steckbriefen erschien Liston als »Number one Negro«. Sein Strafregister weist einen Überfall wegen sechs Dollar auf; seine Bande schlug einen Mann in einer Seitenstraße wegen neun Dollar in Einerscheinen nieder; weiter gab es Kleindiebstähle an Tankstellen, Raubüberfälle auf Imbißstuben. Ein Überfall brachte Liston genau fünf Cent ein. Schließlich wurde er am 14. Januar 1950 festgenommen, nachdem er ein Lokal in der Market Street namens Unique Café überfallen hatte. Die Beute betrug siebenunddreißig Dollar.
Fünfundzwanzig Minuten nach dem Raubüberfall verhaftete ihn ein junger Streifenbeamter namens David Herleth, als er ihn um ein Uhr morgens von einem schäbigen Grillrestaurant nach Hause rennen sah. Die einzige Waffe, die Liston bei sich hatte, war eine Rolle Fünfcentstücke. Natürlich trug er sein gelbes Hemd.
Liston wurde des zweifachen schweren Raubes und zweifachen Diebstahls für schuldig erklärt. Er wurde zu fünf Jahren Zuchthaus im Staatsgefängnis von Missouri verurteilt, einem mächtigen Backsteinbau am Ufer des Missouri in Jefferson City. Im Juni 1950 trat er seine Strafe an. NachListons Berechnungen war er da zwanzig. Laut dem
St. Louis Globe-Democrat
war er zweiundzwanzig.
Selbst bei seinen aufwendigsten Selbstinszenierungen beklagte sich Liston nie über das Gefängnis. Er sagte immer, das Knastessen sei das beste gewesen, das er je bekommen habe – wobei man sich in Erinnerung rufen sollte, daß die Gefangenenaufstände im Missouri State 1954 wegen des schlechten Essens ausbrachen. Liston hatte nicht die Gelegenheit gehabt, sich viele Erfahrungen oder Fertigkeiten bei Tisch anzueignen. Als er schließlich auf Bewährung entlassen wurde, lud ein Freund ihn zum Hähnchen ein, doch Liston blickte nur starr auf den Teller, als säße er vor den undurchdringlichen Rätseln des Universums.
»Warum ißt du nicht?« sagte sein Freund.
»Ich weiß nicht, wie«, sagte Liston.
Bis auf ein paar Prügeleien im Hof war Liston ein ordentlicher Häftling. Er arbeitete in der Wäscherei und als Bote. Sein großer Glücksfall war, daß die Gefängnisgeistlichen auf ihn aufmerksam wurden, erst Reverend Edward Schlattmann, dann Father Alois Stevens. Im Staatsgefängnis von Missouri trug der Geistliche auch den Titel eines Sportdirektors. Schlattmann holte Liston in die Turnhalle und brachte ihm den Boxsport nahe, und als er dann wenige Wochen später versetzt wurde, ging das Amt auf Father Stevens über. Stevens war sogleich beeindruckt von Listons Kraft – Liston schlug Männer allein mit seinem Jab k. o. –, doch er befürchtete, daß er ihm nie eine frühe Bewährung verschaffen könnte. Liston konnte sich kaum ausdrücken, es sei denn mit einem stieren Blick. Als Unterschrift machte er ein X. »Sonny war ein großer, unwissender, ziemlich netter Junge«, sagte Stevens. »Ich versuchte, ihm das Alphabet beizubringen, doch es war schwierig, ihm klarzumachen, wiewichtig das war. ›Du willst doch bestimmt einmal lesen, was die Zeitungen über dich schreiben‹, sagte ich zu ihm, aber er war nicht sonderlich gewissenhaft. Er ging mit seinen Worten sehr sparsam um.«
Bald war Liston Gefängnismeister im Schwergewicht. Trainiert wurde er von Sam Eveland, einem Autodieb und Golden Gloves-Meister aus St. Louis. »Er war gleich von Anfang an ein Klassemann«, erzählte mir Eveland. »Man
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