King of the World
stehen müsse. Ein Jahr war er auf der Flucht gewesen. Die ganze Zeit dachte ich nur an das berühmte Bild von John Dillinger, wie er, kurz bevor er türmte, mit dem lächelnden Staatsanwalt dastand. Eine solche Publicity mußte ich nicht haben.«
Nach all den Jahren, in denen er sich vor Gericht immer erfolgreich herausgewunden hatte, sah Carbo nun, daß er keine Chance auf einen Freispruch hatte. Er bekannte sich schuldig in drei Anklagepunkten des »heimlichen Promotens und der Manipulation von Boxkämpfen« und wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Prozesse waren aber erst der Anfang. Im November 1959 setzten ihn Bundesmarshals in Handschellen ins Flugzeug und brachten ihn nach Los Angeles, wo er wegen des Versuchs der gewaltsamen Erpressung eines Teils der Börse Don Jordans, des Weltergewicht-Champions, angeklagt wurde. Carbo und seine Kumpel Joe Sica und Louis Tom Dragna, beides Spitzenleutedes Mobs in Los Angeles, hatten Jordans Manager Donald Nesseth und einige Promoter der Westküste bedroht.
»Ich war für die wie ein Sklave«, sagte Jordan Jahre später über den Mob. »Als die mich abstießen, hab ich gesagt: ›Ihr seid keine Freunde. Ihr seid Hunde. Jetzt seid ihr meine Feinde.‹ Die haben gesagt: ›Wenn du singst, stirbst du.‹«
Carbo wurde zu fünfundzwanzig Jahren Haft verurteilt; er saß seine Zeit in Alcatraz und im Gefängnis auf McNeil Island vor der Küste bei Seattle ab. In demselben Verurteilungshagel kam auch Blinky Palermo ins Gefängnis. Palermo scheint sich während seiner Haftzeit ganz wohl gefühlt zu haben. Er brachte es bis in die Baseballmannschaft von Leavenworth.
Da Frank Carbo nun hinter Gittern war, nahm Jack Bonomi Estes Kefauvers Einladung an, eine bundesweite Untersuchung des Boxgeschäfts in Angriff zu nehmen. Bonomi machte sich daran, Indizien über die üblichen Verdächtigen zu sammeln, insbesondere diejenigen, die nicht in Haft waren. Er fand schnell heraus, daß eine der verkommensten Ecken der Boxwelt die Boxpresse war.
Die ganzen dreißiger, vierziger und fünfziger Jahre hindurch standen viele Boxjournalisten Samstag vormittags am Madison Square Garden Schlange, um einen wöchentlichen Umschlag voller Geld in Empfang zu nehmen – kein Vermögen, aber gerade so viel, daß der Promoter einigermaßen sicher sein konnte, daß sie von ihren Kämpfen umfassend berichteten, gerade so viel, daß sie keine unangenehmen Fragen stellten. Auch am Abend eines Kampfs fanden dieselben Journalisten einen Umschlag auf ihrem reservierten Platz am Ring. Diese Praxis der organisierten Mauschelei war nicht aufs Boxen beschränkt, und als besonders schlimmwurde sie auch nicht empfunden. Sie gehörte eben zum Geschäft dazu. Baseballmannschaften bezahlten Schreiber dafür, daß sie mit ihnen zu ihren Spielen reisten; Besitzer von Rennbahnen und Arenen schickten Weihnachtsgeschenke: Fernseher, Waschmaschinen, Teeservice. Bei großen Veranstaltungen wie Titelkämpfen offerierten Agenten und Promoter auch schon mal eine Auswahl an Prostituierten; gratis für die Kolumnisten, reduziert für die Reporter. Bonomi erfuhr auch, daß manche der größeren Namen in der Presse, vor allem Kolumnisten, kostenlose Speisen und Getränke in Nachtclubs wie »21«, »Toots Shor’s« und dem »Stork Club« annahmen.
»Ich hatte eine Menge Informationen, beschloß aber letztlich, sie nicht auszunutzen«, sagte Bonomi. »Das war die Aufgabe des Staatsanwalts. Ich dachte mir, wenn es mit den Anhörungen überhaupt etwas werden soll, brauche ich die Presse auf meiner Seite, und die Presse hat ein langes Gedächtnis. Was die Presseleute machten, war, verglichen mit dem der großen Tiere, Peanuts. Sich auf die Presse einzuschießen, wäre eine Ablenkung und kontraproduktiv gewesen.«
Wie zu erwarten, waren nicht alle Pressestimmen von der Notwendigkeit einer großangelegten Anhörung des Kongresses überzeugt. »Außerhalb des Routinegeschäfts, das Land zu regieren«, schrieb Red Smith im Dezember 1959, »braucht der Senat der Vereinigten Staaten sich um nichts zu kümmern als um den Wettlauf ins All, die atomare Kriegführung, die steigenden Lebenshaltungskosten, die Ausbreitung des Kommunismus, Fidel Castro, die Ansichten Bischof Pikes zur Geburtenkontrolle, die Staatsverschuldung, die Unruhen im Stahlgewerbe und die Wahl 1960. Unter diesen Umständen ist es für jedermann verständlich, warum Senator Estes Kefauver, ein ruheloser Geist, es fürnötig befindet, sich durch eine
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