King of the World
Untersuchung des Faustkampfs ein wenig Abwechslung zu verschaffen.« Smith beschrieb Carbo als »den mehr oder weniger gütigen Despoten des unsichtbaren Reichs des Boxens«.
Carbo selbst versuchte, das Unternehmen mit ähnlicher Herablassung Kefauver gegenüber zu torpedieren. Bei einer Anhörung wehrte er beinahe zwei Stunden lang Kefauvers Fragen ab, indem er den Text vorlas, den ihm sein Anwalt, Abraham Brodsky, auf ein Blatt Papier getippt hatte.
»Was ist Ihr Beruf?« begann Kefauver.
»Ich weigere mich mit gebührendem Respekt, diese Frage zu beantworten, aufgrund dessen, daß ich nicht gezwungen werden kann, Zeuge gegen mich selbst zu sein«, rezitierte Carbo.
»Ungeachtet Ihrer Antwort fordert der Vorsitzende Sie auf, sich zu der Frage zu äußern.«
»Ich weigere mich mit gebührendem Respekt, diese Frage zu beantworten, aufgrund dessen, daß ich nicht gezwungen werden kann, Zeuge gegen mich selbst zu sein«, sagte Carbo.
Kurz bevor er entlassen wurde, wich Carbo von seinem Text ab.
»Ich möchte nur noch eines sagen, Mr. Senator«, sagte Carbo.
»Ja?«
»Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Wiederwahl.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Kefauver. »Sehr nett, vielen Dank.«
Dann fragte Carbos Anwalt, Brodsky, ob sein Mandant, der Diabetiker sei, ein Glas Orangensaft haben könne.
»Orangensaft?« fragte Kefauver.
»Ich habe noch nicht gefrühstückt«, sagte Carbo.
»Ist schon gut, Mr. Carbo. Sie sind gleich entlassen.«
»Also, ich meine, ich bemühe mich durchzuhalten, solange es geht«, sagte Carbo.
»Sehr schön«, sagte der Vorsitzende. »Sie wirken aber doch ganz heiter, Mr. Carbo.«
»Danke«, sagte Carbo.
Kefauver erwartete von Frankie Carbo keine Enthüllungen und brauchte sie auch nicht. Er begann die Anhörungen mit Jake LaMottas Geständnis, daß er 1947 gegen Billy Fox einen K. o. vorgetäuscht hatte. LaMotta sagte aus, daß er eine Zahlung über 100 000 Dollar abgelehnt hatte; er schmiß den Kampf, weil dies nach den strengen Regeln des mafiagesteuerten Boxgewerbes die einzige Möglichkeit war, eine Chance auf einen Titelkampf zu erhalten. Und das stimmte auch. Nachdem LaMotta seinen Teil des Deals erfüllt hatte, wurde ihm dafür Marcel Cerdan im Briggs Stadium in Detroit präsentiert, den er dann auch besiegte.
Als LaMotta vor Kefauvers Gremium aussagte, hatte er sich natürlich schon lange vom Boxen zurückgezogen. Sonny Liston dagegen, der noch auf dem Weg nach oben war und nach wie vor an der Leine der wenigen Marionetten Carbos, die noch nicht in Haft oder angeklagt waren, zeigte sich weniger entgegenkommend.
Letztendlich hatte die Bundesregierung nicht die Absicht, die Ergebnisse der Kommission zu nutzen. Zwischen 1958 und 1961 gelang es Frank Hogans Büro, dem Bundesanwalt in Los Angeles und dem Kefauver-Komitee, den Zustand des Boxgeschäfts öffentlich darzustellen und, mit Ausnahme von James Norris von der IBC , jede größere Figur in diesem Skandal anzuklagen. Um den Sport auszumisten, meinte Kefauver, müßte das Justizministerium eine vom FBI unterstützte Kontrollinstanz einsetzen. Zu der Zeit war Robert Kennedy Justizminister und traf sich häufig mitKefauver und Bonomi, doch letztlich stellte er klar, daß weder sein Ministerium noch sein Bruder, der Präsident, in der Sache tätig werden würden. Das Boxen war einfach zu schmutzig; die Kontrolle darüber zu übernehmen würde zu unvermeidlichen Skandalen führen.
Kefauver blieb bei einem Fall wie Sonny Liston daher nichts anderes übrig, als sein Talent für gütliches Zureden zu bemühen. Nachdem Liston seine Aussage vor Kefauver, Dirksen und den anderen des Komitees beendet hatte, ergriff Kefauver das Wort und hielt einen väterlichen Vortrag, in dem er den Schwergewichtler ermahnte, er solle mit seinem alten Mentor aus dem Gefängnis, Father Stevens, wieder Kontakt aufnehmen, »oder einem ähnlichen guten Mann der Kirche … Sagen Sie ihm, Sie wollen einen Manager, der absolut sauber ist, der keine Vorstrafen hat und eine ordentliche Lizenz; einen, dem Sie blind vertrauen können, der Sie korrekt berät. Sie müssen die Palermos, die Vitales und dergleichen abschütteln, die sich wie Blutegel an Ihnen festgesaugt haben. Die haben sie ausgenutzt, und das muß aufhören, wenn Sie eine Chance haben wollen.«
Später witzelte Liston über die Anhörung und meinte: »Ich muß mir also einen Manager besorgen, der nicht so toll ist – einen wie Estes Kefauver.« Natürlich tat er das nicht.
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