Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
Vom Netzwerk:
noch Elijah Poole, und seine Großeltern waren noch Sklaven gewesen. Neben dem Georgia seiner Jugend wirkte das Louisville Clays geradezu freundlich. Die Armut war aussichtslos und das Lynchen junger Schwarzer so normal, daß derartige Vorfälle häufig nicht einmal in der Lokalzeitung erschienen. 1923 schloß sich Poole der Wanderbewegung nach Norden an und ließ sich in einem der ärmsten Viertel im Zentrum Detroits nieder. Die Armut in Detroit war in vieler Hinsicht schlimmer als in Georgia – mal gab es Jobs in der Autoindustrie, mal wieder nicht, die Bezahlung war erbärmlich, und schon bald stand Poole in der Schlange vor der Fürsorge und versoff sein Leben.
    Poole war ein religiös Suchender, und wie viele andere arme Schwarze in Detroit hörte er immer häufiger von einem Prediger namens W. D. Fard, einem Handelsvertreter, der eine Theologie, Geschichte und Weltsicht für die Schwarzen entwickelt hatte. Fard war hellhäutig und behauptete, in der Nähe von Mekka geboren zu sein. Tatsächlich aber war ernie in Mekka gewesen, sondern 1930 über Kalifornien und Chicago nach Detroit gekommen. Fard gründete seine Sekte, die Nation of Islam, mit ihm selbst als Zentrum, als Licht, als Inkarnation Allahs. Er predigte die Wiederentdeckung des alten islamischen Erbes der Schwarzen und ihrer kulturellen Überlegenheit; er predigte eine Ethik der Selbstachtung und Selbsthilfe, der Reinlichkeit und Arbeit. Fard hatte sich das nicht selbst erarbeitet. Sein Denken leitete sich von vielfältigen amerikanischen Quellen und einer reichen Geschichte des schwarzen Nationalismus her. Der Gedanke der Selbsthilfe und des aufrechten moralischen Verhaltens stammte von Booker T. Washington und aus zahllosen Predigten in den schwarzen Kirchen. Seine Version des Islam wurzelte in Noble Drew Alis »Moorish Science Temple of America«, einer bei Schwarzen beliebten Sekte in den ersten beiden Dekaden des Jahrhunderts, die Glücksspiel, Sport, Alkohol und jegliche Ausschweifungen streng untersagte. Seine Betonung des schwarzen Stolzes hatte er von der »Zurück nach Afrika«-Lehre Marcus Garveys, der 1914 die »Universal Negro Improvement Association« gründete und zwei Jahre später aus Jamaika in die Vereinigten Staaten kam, wo er als Herausgeber der Wochenzeitung
Negro World
und als Publizist seiner nationalistischen Ideen eine spektakuläre Karriere begann. Garvey war ein geistiger Nachfahre von Nationalisten des neunzehnten Jahrhunderts wie Edward Wilmont Blyden, Bischof Henry McNeal Turner (der behauptete, Gott sei schwarz), Martin R. Delany (der die Möglichkeit einer massiven Repatriierung schwarzer Amerikaner nach Ostafrika oder gar Südamerika untersuchte) sowie der Utopisten Isaiah Montgomery und Edward P. McCabe. Es war aber Garvey, der Sohn eines jamaikanischen Maurers, der die wesentlichen Fragen aufwarf, die Cassius Clays Bewußtsein beflügelten.
    »Wo ist die Regierung des Schwarzen? Wo sind sein König und sein Königreich? Wo sind sein Präsident, sein Land und sein Botschafter, seine Armee, seine Marine, wo sind seine großen Geschäftsleute?«
    Wie Blyden vor ihm und die Muslims, die nach ihm kamen, wollte Garvey seinem Volk Stolz einflößen, indem er anführte, daß, während die Weißen noch Wilde waren und in Höhlen hausten, »diese unsere Rasse sich einer hervorragenden Kultur an den Ufern des Nil rühmen konnte«. (Garvey wird in Ralph Ellisons Roman
Unsichtbar
als die Figur Ras der Mahner karikiert.) Als Garvey während seines Aufenthalts in New York in den zwanziger Jahren eine ungeheure Popularität erlangte – eine Kundgebung von Garveys Anhängern wurde in der Carnegie Hall abgehalten –, heftete sich ihm das FBI an die Fersen und erreichte schließlich seine Verurteilung wegen Postbetrugs. Garvey saß zwei Jahre im Gefängnis und wurde dann, 1927, nach Jamaika abgeschoben, von wo er nie wieder in die Vereinigten Staaten zurückkehrte – nur noch als nachhaltiger Einfluß auf etliche Gruppen, zu denen ganz klar auch die Nation of Islam gehörte.
    Elijah Poole war einer von rund 8000 Anhängern, die Fard Mitte und Ende der dreißiger Jahre hatte. (Davor war er ein Mitglied einer Garvey-Organisation in Chicago gewesen.) Poole war der Sekte so sehr ergeben, so diszipliniert, daß Fard ihn zu einem seiner ranghöchsten Adjutanten machte. Nachdem sie einander schon einige Jahre gekannt hatten, drängte Poole Fard ihm zu sagen, wer er nun wirklich sei. Fard antwortete ihm: »Ich bin der, auf den die Welt

Weitere Kostenlose Bücher