King of the World
wirklich? Glauben Sie wirklich, Sie können ihn schlagen?«
»Ich bin Christoph Kolumbus«, sagte er langsam. »Ich
glaube
, ich gewinne. Ich war noch nie im Ring mit ihm, aber ich glaube, die Welt ist rund, und alle anderen glauben, die Welt ist flach. Vielleicht falle ich ja am Horizont von der Welt, aber ich glaube, die Welt ist rund.«
Clay hatte Zweifel, doch er nutzte diese Zweifel wie ein Träger des schwarzen Gürtels im Judo das Gewicht eines Angreifers. Wochen vor dem Kampf trat er an Listons Manager Jack Nilon heran und sagte: »Hören Sie, ich hab das Maul aufgerissen, um diesen Kampf zu einem Erfolg zu machen. Mein Tag der Abrechnung steht bald an. Wenn das Schlimmste passiert, möchte ich schnell raus da. Ich möchte meinen Bus mit Proviant volladen und schnell verschwinden.« Dann bat er Jack Nilon um 10000 Dollar für den Proviant.
»Keiner blickte bei dem Jungen durch«, sagte Sharnik. »Man wußte einfach nicht, ob er der verrückteste Junge war, den es gab, oder der schlaueste.«
Bill MacDonald hatte nie die Hoffnung, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, Clay sei ein bescheidener Bursche, so wie vor ihm Joe Louis, er hatte allerdings die Hoffnung, die Schreiber würden glauben, er könne kämpfen. Sie glaubten es nicht. Einer Umfrage zufolge sagten dreiundneunzig Prozent der bei dem Kampf akkreditierten Journalisten einen Sieg Listons voraus. Was die Umfrage nicht registrierte, war die Festigkeit der Voraussagen. Arthur Daley, der Kolumnist der
New York Times
, schien moralische Bedenken gegen den Kampf zu haben, als wäre er ein schreckliches Verbrechen an Kindern und Schnöseln: »Dem Großmaul aus Louisville werden wohl einige bombastische Angebereien von einer prallen Faust, die Sonny Liston gehört, in den Hals gestopft …«
In den späteren Stadien seiner Karriere hatte Muhammad Ali seinen Platz am Fernsehhimmel, und sein Boswell war Howard Cosell. Doch in den Tagen vor seinem Kampf mit Sonny Liston in Miami war Cassius Clay noch nicht Muhammad Ali, und Howard Cosell war ein glatzköpfiger, näselnder Bursche im Radio, der seine Kollegen mit seinen gewichtigen Fragen und seinem massigen Tonbandgerät nervte, das er den Leuten ständig in die Rippen rammte. Damals waren die Zeitungen noch die dominierende Kraft im Sport; die Kolumnisten –
weiße
Kolumnisten – waren die dominierenden Stimmen, und der König der Kolumnisten war Jimmy Cannon, vormals bei der
New York Post
und seit 1959 beim
New York Journal-American
. Cannon war der erste Tausend-Dollar-die-Woche-Mann, Hemingways Liebling, Joe DiMaggios Kumpel und Joe Louis’ Ikonograph. Red Smith, der für die
Herald Tribune
schrieb, pflegte einen Stil von eleganter Zurückhaltung, der die anspruchsvolleren Leser für ihn einnahm, doch Cannon war der populäre Liebling: eine weltverdrossene Stimme der Großstadt. Cannonwar der König, und Cannon hatte für Clay nichts übrig. Er glaubte nicht einmal, daß er kämpfen konnte.
Eines Nachmittags kurz vor dem Kampf saß Cannon mit George Plimpton im Fifth Street Gym und sah Clay beim Sparren zu. Clay schwebte durch den Ring wie eine Feder im Wind und jagte seinem Partner immer mal wieder einen Jab ins Gesicht. Plimpton war von Clays Bewegungen, von seiner Lässigkeit tief beeindruckt, Cannon dagegen konnte kaum hinschauen.
»Nun sieh dir das an!« sagte Cannon. »Das ist doch grauenhaft. Damit kommt er nicht durch. Unmöglich.« Es war schlicht undenkbar, daß Clay Liston schlagen konnte, indem er herumrannte, die Hände auf Hüfthöhe hielt und sich einfach durch Ausweichen verteidigte.
»Vielleicht macht er das ja durch seine Schnelligkeit wett«, warf Plimpton hoffnungsvoll ein.
»Der ist der fünfte Beatle«, sagte Cannon. »Bloß, das stimmt auch nicht. Die Beatles sind kein Mumpitz.«
»Ein guter Name«, sagte Plimpton. »Der fünfte Beatle.«
»Stimmt aber nicht«, sagte Cannon. »Der ist doch bloß Schau und heiße Luft … Nichts Ehrliches.«
Clay beleidigte Cannons Gefühl dessen, was recht war, ähnlich wie die Flugmaschinen die Generation seines Vaters beleidigt hatten. Er warf sein Weltverständnis durcheinander.
»In gewisser Weise ist Clay eine Abnormität«, schrieb er vor dem Kampf. »Er ist ein Bantamgewichtler, der über neunzig Kilo wiegt.«
Cannons Vorbehalte gingen über den Ring hinaus. Sein Held war Joe Louis, und für Louis schuf er den unsterblichen Satz, er mache »seiner Rasse Ehre – der menschlichen Rasse«. Er bewunderte Louis’
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