King of the World
siebten oder achten durchhält, gewinnter wahrscheinlich.« Man konnte den Hintersinn, wenn nicht gar die Spitzfindigkeit von MacDonalds Manöver verstehen. Man verkauft keine Karten, wenn David von vornherein gegen Goliath nicht zum Schuß kommt.
MacDonald ging nicht davon aus, daß Liston sich vor dem Kampf auf einen Verbalkrieg mit Clay einlassen würde. Liston hatte sich so sehr daran gewöhnt, sich als den unüberwindlichen Champion, als den Favoriten mit einer Quote von mindestens sieben zu eins bezeichnet zu hören, daß er im Surfside Civic Auditorium in North Miami Beach mit seiner üblichen nüchternen Selbstgefälligkeit trainierte. Anders als Clay in seiner ziemlich heruntergekommenen Umgebung im Fifth Street Gym, sparrte Liston klimatisiert. Ein Ansager intonierte die nächste Station auf dem Kreuzweg – »Der Champion am Sandsack« –, worauf Liston ein Weilchen dagegenschlug. Dann eilten seine Betreuer, allen voran Willie Reddish, hinzu und trockneten ihn ab, als wäre er Kleopatra. Reddish rammte ihm ein dutzendmal einen Medizinball in den Bauch, danach machte er Seilhüpfen zu »Night Train«, wie er es schon in der
Ed Sullivan Show
gezeigt hatte.
»Beachten Sie, daß der Champion den Boden nie mit den Fersen berührt«, verkündete der Conferencier. »Er macht alles mit den Zehen.«
Liston trainierte, wie Liberace Klavier spielte; es war eine gruselige
Darstellung
eines Boxers bei der Arbeit. Wenn Liston Clay überhaupt ernst nahm, war das kaum zu sehen. Er ließ sich nicht einmal dazu herab, so zu tun, als haßte er seinen Herausforderer. »Ich hasse Cassius Clay nicht«, sagte er. »Ich liebe ihn so sehr, daß ich ihm zweiundzwanzigeinhalb Prozent der Einnahmen abgebe. Clay bedeutet mir sehr viel. Er ist mein Baby, mein Millionen-Dollar-Baby. Ich hoffe, er bleibt gesund, und vor allem hoffe ich, erkommt.« Listons einzige gesundheitliche Sorge galt, wie er einräumte, dem Schicksal seiner gerühmten linken Faust: »Die fährt ihm so weit den Hals hinab, daß ich eine Woche brauche, um sie wieder rauszuziehen.«
Die Kolumnisten mochten Liston nicht besonders gern gehabt haben, doch als Kämpfer respektierten sie ihn. Sie gingen davon aus, daß er Clay klar besiegte. Lester Bromberg vom
New York World-Telegram
meinte, der Kampf werde »dem Schema« der beiden Kämpfe Listons gegen Patterson folgen, der einzige Unterschied werde der sein, daß dieser länger dauern werde: »Er wird fast die ganze erste Runde dauern.« Nahezu sämtliche Kolumnisten waren mittleren Alters, sie waren mit Joe Louis aufgewachsen, und sie mochten Clay eher noch weniger als Liston. Jim Murray von der
Los Angeles Times
prophezeite, der Kampf Liston gegen Clay werde »der populärste seit Hitler gegen Stalin – 180 Millionen Amerikaner halten die Daumen für einen doppelten K. o. Das einzige, worin Clay Liston schlagen kann, ist im Wörterbuchlesen … Seine öffentlichen Äußerungen haben die Bescheidenheit eines deutschen Ultimatums an Polen, seine öffentlichen Leistungen ähneln jedoch eher Mussolinis Marine.«
Im Fifth Street Gym verwandte Clay natürlich beträchtliche Energie auf seine Pressekonferenzen nach dem Training. Tag um Tag beschrieb er, wie er die ersten fünf Runden damit verbringen werde, »den großen häßlichen Bären« zu umkreisen, ihn müde zu machen und ihn dann mit Haken und Uppercuts auseinanderzunehmen, bis Liston schließlich auf allen vieren niedersinke und aufgebe. »Ich schick den großen häßlichen Bären auf die Bretter, und nach dem Kampf bau ich mir ein hübsches Haus und nehm ihn als Bärenfell. Liston riecht sogar wie ein Bär. Wenn ich ihn verhauen hab, spende ich ihn dem Zoo hier. Die Leute denken,ich mache Witze. Aber ich mache keine Witze. Ich mein’s ernst. Das wird der leichteste Kampf meines Lebens.« Den Gastreportern sagte er, sie hätten jetzt die Chance, »auf den Zug aufzuspringen«. Er merke sich die Namen, sagte er, bleibe den Neinsagern auf der Spur, und wenn er gesiegt habe, »veranstalte ich eine kleine Feier, und da wird dann einiges zurückgenommen«. Tag um Tag wiederholte er seine Hommage an Gorgeous George, wenn er beschrieb, was er tun würde, falls Liston gewönne: »Sagen Sie das Ihrer Kamera, Ihrer Zeitung, Ihrem Fernsehmann, Ihrem Radiomann, sagen Sie das der Welt: Wenn Sonny Liston mich verhaut, dann küsse ich ihm im Ring die Füße, krieche auf den Knien aus dem Ring, sage ihm, daß er der Größte ist, und düse mit der nächsten Maschine aus dem
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