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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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Unmittelbarkeit, Cannon hingegen mißgönnte ihnen ihre neue Sehweise, ihre Bildung, ihre Jugend. Ende der fünfziger Jahre schrieb Talese zahllose elegante Features für die
Times
und später, in den sechziger Jahren, für
Esquire
eine Serie noch eindrucksvollerer Porträts über Patterson, Louis, DiMaggio, Frank Sinatra und den Theaterdirektor Joshua Logan. Keiner dieser Artikel war das, was die Schreiber »Trashjobs« nannten – sie waren voller Zuneigung zu der Person und Bewunderung für ihre Kunstfertigkeit –, aber sie befaßten sich auch mit Pattersons Ängsten, Louis’ schrecklichem Niedergang, Sinatras Gemeinheit und Logans Nervenzusammenbrüchen. Talese vereinte die Techniken von Reportage und Literatur; er schrieb seine Notizbücher mit Fakten, Interviews und Beobachtungen voll, strukturierte seine Essays aber wie Kurzgeschichten.
    Als Talese noch bei der
Times
war und über seine Lieblingsthemen Patterson und Cus D’Amato schrieb, galt er als Exzentriker. In der Nachrichtenredaktion trug er makellose Maßanzüge; er sah, in den Worten eines Kollegen, »blendend gut« aus. Doch bei allem äußeren Schliff, bei aller Jugend näherte er sich seiner Arbeit wie ein Reporter, ging auf die Baseballspieler zu, lernte sie kennen. Zu jener Zeit war das im Sportressort der
Times
sehr unüblich. Daley, seit den vierziger Jahren der dominierende Kolumnist, leitete sein Prestige vom Blatt selbst ab; wenn er den Pulitzerpreis bekam, grummelten viele seiner Kollegen, daß eher Red Smith von der
Herald Tribune
oder Cannon von der
Post
ihn hätte bekommen sollen. Daleys Stil war fade, doch ihn las die Pulitzerjury nun mal, wenn sie denn überhaupt Sport las. Die meisten anderen Sportjournalisten der
Times
gaben sich nicht weniger majestätisch: Sie führten sich auf, als wären sie der Botschafter der
New York Times
am Hofe des Baseball oder des Basketball. Als Allison Danzig über die US -Open in Forest Hills berichtete, ließ er sich nicht herab, einen Tennisspieler zu einem Interview zu bitten; der Spieler ging zu Allison Danzig. Nicht wenige der Redakteure und Reporter waren über das unorthodoxe Auftreten Gay Taleses entsetztund konnten nicht begreifen, warum der Ressortchef, Turner Catledge, ihn auf die Sportwelt losgelassen hatte.
    Als Talese 1965 das Blatt verließ, um Bücher und längere Zeitschriftenessays zu schreiben, hatte er schon einen Nachfolger, einen Reporter Mitte Zwanzig namens Robert Lipsyte. Wie Cannon war Lipsyte in New York aufgewachsen, doch er war ein Mittelschichtjude aus Rego Park in Queens. Er ging von der vorletzten Klasse an der Forest Hills High School direkt zur Columbia University, wo er 1957 seinen Abschluß machte. Nachdem er geschwankt hatte, ob er Drehbuchautor oder Englischprofessor werden sollte, bewarb sich Lipsyte als Botenjunge bei der
Times
und bekam die Stelle zu seiner Verblüffung auch. »Damals sagten sie meistens, sie nähmen Leute von der Rhodes«, sagte er. Als Botenjunge bewunderte Lipsyte Talese wegen seines innovativen Stils und weil er es schaffte, in die eintönigen Seiten der
Times
eine unverwechselbare Stimme einzubringen. Mit einundzwanzig wurde Lipsyte dann Redakteur; er hatte Biß bewiesen: Eines Tages schickte der Kolumnist für Jagen und Angeln seine Kolumne nicht rechtzeitig aus Kuba ab, also setzte Lipsyte sich hin und haute termingerecht eine seltsame und witzige Kolumne hin, wie Fische und Vögel gegen Angler und Jäger zurückschlugen. Lipsyte schrieb über High-School-Basketballspieler wie Connie Hawkins und Roger Brown. Zusammen mit Louis Effrat, einem
Times-
Mann, der die Berichterstattung über die Dodgers verloren hatte, als diese aus Brooklyn wegzogen, schrieb er über die 1962er Mets. Effrats Bewunderung für seinen jüngeren Kollegen war, um das mindeste zu sagen, zögernd: »Kleiner, in New York sagen sie, du kannst richtig gut schreiben, aber du hast keinen Schimmer, worüber du da schreibst.«
    Wenn es ein Thema gab, in das sich Lipsyte unbedingt einarbeiten wollte, dann war es das Rassenthema. 1963 lernte erDick Gregory kennen, einen der witzigsten Komiker des Landes, der ständig in der Bürgerrechtsbewegung präsent war. Die beiden Männer wurden enge Freunde, und bald half Lipsyte Gregory, seine Autobiographie
Nigger
zu schreiben. Sogar als Sportjournalist bewerkstelligte Lipsyte es, über die Rassenfrage zu schreiben. Er schrieb über die Blackstone Rangers-Bande, er lernte Malcolm X und Elijah Muhammad kennen. Er berichtete über

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