King of the World
Seilspringen und Säckeboxen zum Rhythmus von »Night Train«. Doch er lief viel weniger, als nötig gewesen wäre – ein paarmal die Woche eine, vielleicht zwei Meilen –, und kämpfte nur mit mittelmäßigen Sparringspartnern. Seit seinem ersten Kampf gegen Patterson gestattete er sich den Glauben, daß er nur in den Ring zu steigen und den Mantel abzunehmen brauchte, damit der andere sich hinlegte und auszählen ließ.
»Ich glaube nicht, daß Liston in Bestform war«, sagte Hank Kaplan, einer der Stammgäste im Fifth Street Gym. »Ich selbst habe ihn nicht sehr lange vor dem Kampf in Surfside gesehen, wie er Hotdogs und Popcorn gegessen und Bier getrunken hat.«
Clay verbrachte seine freie Zeit mit Malcolm X. Listons Amüsements waren weniger geistvoll; bei seinen abendlichen Unternehmungen ließ er sich von Ash Resnik beraten, der von Las Vegas zum Kampf angereist war. Einer von Listons Betreuern erzählte Jack McKinney, Resnik habe Liston zwei Prostituierte beschafft. »Nilon trägt eine schwere Verantwortung am Niedergang Sonny Listons«, sagte McKinney. »Er war ein feiger Wurm, der sich nicht durchsetzte. Er wollte den wohlhabenden Geschäftsmann mimen und dazu noch den Boxpromoter, doch er war nichts wert … In Miami Beach verwies Joe Pollino auf zwei Damen, offensichtlichNutten, die Resnik Sonny beschafft hatte – und das spricht nicht für Sonny –, und mit denen bumste er in der Twentythird Ecke Collins herum. Das war es, was Resnik ihm an geistiger und kultureller Bereicherung nahebrachte. Es ist doch so, egal, gegen wen man kämpft, man braucht Leute, die einem ständig sagen, daß alles passieren kann. Man muß doch trainieren – auch wenn der Gegner Fallobst ist.«
»Sonny nahm das alles erst etwa einen Monat vor dem Kampf ernst«, sagte Foneda Cox, einer seiner Sparringspartner. »Und als er nach Miami ging, glaubte er fest daran, er werde Clay umbringen. Das mein ich so, richtig
umbringen
. Wozu da noch hart arbeiten?«
Als jemand aus seinem Camp Fragen zu seinem Training stellte, wischte Liston es einfach beiseite. Harold Conrad sagte Liston, er mache sich Sorgen: Clay sei fit und ziemlich gut in Schuß. Liston lächelte nur.
»Keine Sorge, Hal«, sagte er. »Der kriegt beim Wiegen den bösen Blick von mir, dann ist er schon vor dem Kampf erledigt.«
Es gibt keinen zwingenden Grund, daß Schwergewichtler vor dem Kampf gewogen werden. Anders als die Kämpfer in den leichteren Gewichtsklassen müssen sie nicht »Gewicht machen«, also unter einer bestimmten Grenze bleiben. Gelegentlich ereignet sich, wenn ein Schwergewicht den Mantel abstreift, ein kleines Drama: »O je! Der sieht fett aus!« Oder: »O Mann! Ganz schön furchterregend!« Doch das kommt selten vor. Die Reporter haben die Boxer in der Regel trainieren gesehen und kennen den körperlichen Zustand des Champions und seines Herausforderers ganz gut. Wenn es denn bei den Schwergewichtlern einen Grund für das Wiegen gibt, dann den, daß es den Ritualcharakter betont,so wie Sumoringer vor dem Kampf mit den Füßen aufstampfen und eine Handvoll Salz werfen. Wie im richtigen Krieg sind Rituale wichtig. Der heilige Ernst von Gewichten und Maßen, von mächtigen Männern, die in Unterhose auf einer Waage posieren, das ist sehr wichtig. Am wichtigsten vielleicht für die Journalisten, die am Tag des Hauptereignisses, des Kampfs, der um elf Uhr nachts beginnt, eine Geschichte und Bilder für den ersten Andruck haben wollen. Das Wiegen gibt die Möglichkeit, den »stieren Blick« zu bewerten; der Reporter kann den Kämpfer als »bereit« oder »nervös« beurteilen; der Fernsehmann kann mit Überzeugung sagen, daß »diese beiden Männer einander nicht gerade mögen«. Der Promoter wird versuchen, Eintrittskarten zu verkaufen, und, wenn er großzügig ist, ein gutes Wort für die Kämpfer des Vorprogramms einlegen.
Das Wiegen Listons und Clays war für den Morgen des Kampfs angesetzt; es sollte in einer Ladezone der Miami Beach Convention Hall stattfinden. Clay traf in der Arena in einer blauen Jeansjacke ein, auf der die Worte »Bear Huntin’« – »Bärenjagd« – aufgestickt waren. Seine Begleitung bestand aus Dundee, Sugar Ray Robinson, William Faversham von der Louisville Group und Bundini. Die Arena war noch kaum besetzt, doch Clay machte sich schon warm. Er und Bundini brüllten: »Float like a butterfly! Sting like a bee!«, und Clay stampfte mit einem afrikanischen Gehstock auf den Boden.
»Ich bin der Champ! Ich bin
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