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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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kennengelernt haben.«
    »Nun ja, ich kenne ihn natürlich nicht so gut. Ich glaube, das habe ich bereits am Telefon gesagt. Wir haben einen gemeinsamen Freund, und er ist derjenige, mit dem ich hoffte, Verbindung aufnehmen zu können. John hat erwähnt, daß er in dieser Gegend Verwandte hat, und da habe ich es einfach versucht. Ich vermute, Sie haben in letzter Zeit nicht mit ihm gesprochen.«
    Essie rückte auf der Couch herum. »Wir haben, so lange wir konnten, zu ihm gehalten. Der Pfarrer sagt, seiner Meinung nach haben wir genug getan. Wir wissen nicht, womit John im Finstern seiner Seele ringt, aber es gibt Grenzen für das, was andere hinnehmen können.« Schärfe lag in ihrer Stimme, und ich fragte mich, woher sie rührte: Zorn, Beleidigung vielleicht, das Märtyrertum der Sanftmütigen unter den Händen der Elenden.
    »Ich schätze, John ist eine harte Probe gewesen!«
    Essie preßte die Lippen zusammen, verschränkte die Hände auf dem Schoß. »Nun, das ist genau, wie es in der Bibel steht. >Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen, und bittet für die, so euch beleidigen und verfolgend« Ihr Ton war anklagend. Sie begann, aufgeregt hin- und herzuwippen.
    Himmel, dachte ich, diese Dame ist bereits auf 100.
    Eugenes Stuhl knarrte, er selbst zog meine Aufmerksamkeit durch ein leises Räuspern auf sich. »Sie sagten, Sie hätten ihn am Samstag gesehen. Darf ich fragen, bei welcher Gelegenheit?«
    Da wurde mir klar, daß ich der Geschichte, die ich erzählen wollte, viel mehr Zeit hätte widmen müssen, denn jetzt wußte ich nicht, was ich antworten sollte. Essie Daggetts Ausbruch hatte mich so entnervt, daß mein Hirn ganz leer war.
    In diesem Augenblick beugte sie sich vor. »Sind Sie errettet worden?«
    »Verzeihung, was?« Ich blinzelte sie an.
    »Haben Sie Jesus in Ihrem Herzen aufgenommen? Haben Sie die Sünde verworfen? Haben Sie Buße getan? Sind Sie im Blut des Lammes gewaschen worden?«
    Ein Tröpfchen Spucke landete auf meinem Gesicht, aber ich wagte nicht zu reagieren. »In letzter Zeit nicht«, sagte ich. Was habe ich nur an mir, daß ich Frauen wie sie anziehe?
    »Hör mal, Essie, sie ist bestimmt nicht hergekommen, um über den Zustand ihrer Seele zu reden«, bemerkte Eugene. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Herrje, ich glaube, es wird Zeit für deine Medizin.«
    Ich ergriff die Gelegenheit, um mich zu erheben. »Ich möchte Ihre Zeit nicht noch mehr in Anspruch nehmen«, entschuldigte ich mich. »Ich bin für Ihre Hilfe in dieser Angelegenheit wirklich dankbar, und wenn ich noch weitere Informationen benötige, werde ich Sie anrufen.« Ich suchte in meiner Tasche nach einer Visitenkarte und ließ sie auf dem Tisch zurück.
    Essie lief inzwischen auf Hochtouren. >»Und sie werden mit Steinen werfen...<«
    »Also, noch mal vielen Dank«, rief ich auf dem Weg zur Tür. Eugene tätschelte Essies Hände, zu abgelenkt, um sich wegen meines Aufbruchs Gedanken machen zu können.
    Ich schloß die Tür und trabte eilig zu meinem Wagen zurück. Es war dunkel, und die Nachbarschaft gefiel mir nicht.

4

    Freitagmorgen stand ich um sechs Uhr auf und machte mich auf den Weg zum Strand, um zu laufen. Wegen einer Verletzung hatte ich während des größten Teils des Sommers nicht joggen können, aber seit ungefähr zwei Monaten hatte ich es wiederaufgenommen, und ich fühlte mich sehr wohl dabei. Ich habe mir nie sonderlich viel aus Sport gemacht und würde ihn meiden, wenn ich könnte, aber mir ist aufgefallen, daß mein Körper immer weicher wird, je älter ich werde, wie Butter, die bei Zimmertemperatur stehengelassen wird. Ich will nicht Zusehen, wie mein Hintern schlaff wird und meine Schenkel aus der Form gehen wie Jodhpurs aus Fleisch. Im Interesse engsitzender Jeans — meiner Standardbekleidung — jogge ich täglich drei Meilen auf dem Fahrradweg, der sich am Meer entlangwindet.
    Die Morgendämmerung zog sich über den östlichen Horizont wie Wasserfarben auf einer Palette: Kobaltblau, Violett und Rosa verschmolzen in horizontalen Streifen ineinander. Dicke düstere Wolken waren draußen über dem Ozean sichtbar und trieben den Geruch von fernen Meeren über die Brandung heran. Es war kalt, und ich rannte nicht nur, um in Form zu bleiben, sondern auch, um mich warm zu halten.
    Um 6 Uhr 25 kehrte ich in meine Wohnung zurück, duschte, zog Jeans, Sweatshirt und Stiefel an und aß eine Schüssel Haferflocken. Ich las die Zeitung von vorne bis hinten,

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