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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos
Autoren: Sue Grafton
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das sie glatt aus dem Gesicht gekämmt trug. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine zarte Stirn und den bohrenden Blick ihres Vaters. Ihr rechtes Auge war grün, ihr linkes blau. Ich hatte einmal eine weiße Katze gesehen, bei der war es genauso, und es hatte dieselbe beunruhigende Wirkung gehabt. Sie trug ein graues Wollkostüm und eine steife, weiße Bluse mit Stehkragen und einem Spitzenjabot am Hals. Ihre Schuhe waren aus burgunderfarbenem Leder und paßten zu ihrer Schultertasche. Sie sah aus wie eine Anwältin oder Börsenmaklerin, jemand jedenfalls, der daran gewöhnt ist, Macht auszuüben.
    »Kommen Sie herein«, forderte ich sie auf. »Ich habe gerade versucht herauszufinden, wie ich mit ihm Verbindung aufnehmen könnte. Ich nehme doch an, daß Ihre Mutter Ihnen erzählt hat, daß ich bei ihr gewesen bin.«
    Es war Small talk. Sie fiel nicht darauf herein. Sie setzte sich, wandte mir diese seltsamen Augen zu, als ich zu meiner Seite des Schreibtisches herumging und ebenfalls Platz nahm. Ich dachte daran, ihr einen Kaffee anzubieten, aber ich wollte wirklich nicht, daß sie so lange blieb. Selbst die Luft um sie herum schien eisig, und die Art, wie sie mich ansah, gefiel mir überhaupt nicht. Ich lehnte mich in meinem Drehstuhl zurück. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich möchte wissen, warum Sie meinen Vater suchen.«
    Ich zuckte die Achseln, spielte cool, hielt mich an die Geschichte, mit der ich angefangen hatte. »Tue ich eigentlich nicht. Ich suche nach einem Freund von ihm.«
    »Warum hat man uns nicht erzählt, daß Daddy aus dem Gefängnis entlassen wurde? Meine Mutter ist einem Zusammenbruch nahe. Wir mußten den Arzt rufen, damit er ihr ein Beruhigungsmittel gibt.«
    »Es tut mir leid, das zu hören.«
    Barbara Daggett schlug die Beine übereinander und strich den Rock glatt. Ihre Bewegungen waren erregt. »Leid? Sie wissen ja gar nicht, was Sie ihr damit angetan haben. Sie fing gerade an, sich sicher zu fühlen. Jetzt müssen wir herausfinden, daß er irgendwo in der Stadt ist, und sie ist schrecklich erregt. Ich verstehe nicht, was hier vorgeht.«
    »Miss Daggett, ich bin kein Bewährungshelfer«, erklärte ich. »Ich weiß nicht, wann er entlassen wurde oder warum Sie nicht verständigt worden sind. Die Probleme Ihrer Mutter haben nicht erst gestern angefangen.«
    Farbe schoß ihr in die Wangen. »Das ist wahr. Ihre Probleme begannen mit dem Tag, als sie ihn geheiratet hat. Er hat ihr Leben ruiniert. Er hat unser aller Leben ruiniert.«
    »Beziehen Sie sich auf seine Trinkerei?«
    Das wischte sie einfach beiseite. »Ich will wissen, wo er ist. Ich muß mit ihm reden.«
    »Im Augenblick habe ich keine Ahnung, wo er ist. Wenn ich ihn finde, sage ich ihm, daß Sie sich für ihn interessieren. Mehr kann ich nicht für Sie tun.«
    »Mein Onkel hat mir erzählt, Sie hätten ihn am Samstag getroffen.«
    »Nur kurz.«
    »Was hat er in der Stadt gemacht?«
    »Darüber haben wir nicht gesprochen.«
    »Aber worüber dann? Was könnte er mit einem Privatdetektiv für Geschäfte machen?«
    Ich zog einen Block heran und zückte einen Kugelschreiber. »Gibt es eine Nummer, unter der ich Sie erreichen kann?«
    Sie öffnete die Handtasche und holte eine Visitenkarte heraus, die sie mir über den Schreibtisch hinweg zuschob. Ihre Büroadresse lag nur drei Blocks entfernt an der State Street, und ihr Titel wies sie als Vorsitzende einer Gesellschaft namens FMS aus.
    Wie als Antwort auf eine Frage sagte sie: »Ich entwickle Management-Software-Systeme für Herstellungsmaschinen. Das ist meine Büronummer. Ich stehe nicht im Telefonbuch. Wenn Sie mich daheim erreichen wollen... das ist die Nummer.«
    »Klingt interessant«, bemerkte ich. »Was haben Sie für eine Ausbildung?«
    »Ich habe einen Abschluß in Mathe und Chemie von Stanford und außerdem einen Magister in Computer-Wissenschaft und -technik von der USC.«
    Ich spürte, wie sich meine Brauen anerkennend hoben. Ich konnte keinen Hinweis darauf entdecken, daß Daggett ihr Leben ruiniert hatte, aber diese Beobachtung behielt ich für mich. Hinter Barbara Daggett steckte eindeutig mehr, als ihr Status erkennen ließ. Vielleicht war sie eine von den Frauen, die im Beruf erfolgreich sind, aber dafür in ihren Beziehungen zu Männern versagen. Da man mir selbst so etwas vorgeworfen hatte, beschloß ich, kein Urteil zu fallen. Wo steht geschrieben, daß es das Maß aller Dinge ist, Teil eines Paares zu sein?
    Sie schaute auf ihre Uhr und stand auf. »Ich habe noch
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