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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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hinzu. Ich lächelte kurz als Zeichen meiner Zustimmung und konzentrierte mich dann auf sie.
    »Hallo, wie geht es Ihnen? Ich danke Ihnen, daß ich so einfach kommen durfte.« Ich trat zu ihr und streckte ihr die Hand hin. Sie ließ es zu, daß ein paar Finger kurz in meiner Hand ruhten. Es war, als schüttelte man einen Gummihandschuh.
    Sie hatte ein breites, farbloses Gesicht, das ergrauende Haar war ungünstig geschnitten, und sie trug eine Brille mit dicken Gläsern und einem schweren Plastikrahmen. Auf der rechten Seite ihrer Nase hatte sie einen Grützbeutel, der etwa so groß war wie ein Stückchen Popcorn. Ihr Unterkiefer ragte aggressiv vor, zeigte auf beiden Seiten aufragende Eckzähne. Sie roch stark nach Maiglöckchen.
    Eugene bedeutete mir, Platz zu nehmen, und ich hatte die Wahl zwischen der Couch, auf der Essie saß, und einem Stuhl, aus dem eine Feder herausragte. Ich entschied mich für den Sessel und setzte mich ganz nach vorne, um nicht noch etwas kaputtzumachen. Eugene selbst nahm in einem Korbschaukelstuhl Platz, der unter seinem Gewicht knarrte. Er nahm das schmale, purpurfarbene Band, das aus der Bibel heraushing, kennzeichnete die Stelle, an der er war, und legte das Buch dann vor sich auf den Tisch. Essie hatte noch nichts gesagt, hielt den Blick starr auf ihren Schoß gerichtet.
    »Kann ich Ihnen ein Glas Wasser holen?« bot er an. »Wir haben nie koffeinhaltige Getränke hier, aber ich kann Ihnen gern 7-Up anbieten.«
    »Danke, ich möchte nichts«, sagte ich. Ich machte mir ernsthafte Gedanken. Wenn man mit strenggläubigen Christen zusammen ist, dann ist das ungefähr genauso wie mit ganz Reichen. Man spürt, daß gewisse Regeln befolgt werden, eine sonderbare Etikette, die man unabsichtlich verletzen könnte. Ich versuchte, nur harmlose Dinge zu denken, und hoffte, ich würde nicht mit einem Schimpfwort herausplatzen. Wie konnte John Daggett mit diesen beiden verwandt sein?
    Eugene räusperte sich. »Ich habe Essie gerade das Durcheinander zu erklären versucht, wo sich John Daggett herumtreibt. Wir waren der Meinung, daß John noch im Gefängnis sitzt, aber Sie scheinen einen anderen Standpunkt zu vertreten.«
    »Ich bin genauso verwirrt wie Sie.« Ich dachte schnell nach, fragte mich, wieviel Informationen ich erhalten konnte, ohne etwas zu verraten. So wütend ich auch auf Daggett war, wollte ich doch nicht indiskret werden. Nicht nur, daß er auf Bewährung entlassen war — da war auch noch Lovella. Ich wollte nicht diejenige sein, die aus der Schule plaudert und dieser Frau, die scheinbar noch mit ihm verheiratet war, von seiner neuen Braut erzählen. »Haben Sie zufällig ein Foto von ihm?« erkundigte ich mich. »Es wäre ja möglich, daß der Mann, mit dem ich gesprochen habe, einfach nur behauptet, Ihr Schwager zu sein.«
    »Ich weiß nicht«, meinte Eugene zweifelnd. »Nach allem, was Sie erzählt haben, wie Sie ihn beschrieben haben — das hörte sich schon sehr nach ihm an.«
    Essie streckte die Hand aus und griff nach einem Farbfoto im verzierten Silberrahmen. »Das ist an unserem fünfunddreißigsten Hochzeitstag gemacht worden«, erzählte sie. Ihre Stimme klang nasal, mit mürrischem Unterton. Sie gab das Foto an ihren Bruder weiter, als hätte er es nie zuvor gesehen und würde vielleicht auch gern einen Blick darauf werfen.
    »Kurz ehe John nach San Luis mußte«, erläuterte Eugene und reichte mir das Foto. Seinem Ton nach hätte man glauben können, John befände sich auf einer Geschäftsreise.
    Ich musterte das Bild. Das war wirklich Daggett. Er wirkte so verlegen wie jemand in einer dieser Buden, in denen man sich als Konföderierter oder viktorianischer Gentleman verkleiden kann. Sein Kragen sah zu eng aus, sein Haar zu schlüpfrig von der Pomade. Auch sein Gesicht wirkte verspannt, als wollte er jede Minute davonlaufen. Essie saß neben ihm, so ungerührt wie eine Grießschnitte. Sie trug etwas, das aussah wie ein violettes Crepe-de-Chine-Kleid mit Schulterpolstern und Glasknöpfen und einem wuchtigen Orchideen-Schmuck auf der linken Schulter.
    »Reizend«, murmelte ich und fühlte mich falsch und schuldbewußt. Es war ein schreckliches Bild. Sie sah aus wie eine Bulldogge und John wie jemand, der mühsam einen Furz unterdrückt.
    Ich gab Essie das Bild zurück. »Welche Art Verbrechen hat er begangen?«
    Essie holte hörbar Luft.
    »Wir ziehen es vor, nicht davon zu sprechen«, warf Eugene ein. »Vielleicht sollten Sie uns erzählen, wie Sie selbst ihn

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