Kinsey Millhone 04 - Ruhelos
ausfindig gemacht, ihn mir vorgeknöpft, den Scheck ersetzt gekriegt und einen Happen gegessen hatte. Die Fahrt zurück würde neunzig Minuten dauern, ich war also gegen 3 Uhr 30 oder 4 Uhr wieder im Büro. Nun, das war nicht allzu schlimm. Es war öde, aber notwendig, also beschloß ich, mich nicht weiter herumzuquälen, sondern es hinter mich zu bringen.
Um 10 Uhr 30 hatte ich meinen Wagen aufgetankt und war unterwegs.
2
Bei Sherman Oaks verließ ich den Ventura Freeway und fuhr auf dem San Diego Freeway Richtung Süden bis zum Venice Boulevard. Ich bog ab und hielt mich rechts. Nach meinen Berechnungen mußte die Adresse, die ich suchte, irgendwo in der Nähe sein. Ich fuhr ein Stück parallel zurück Richtung Sawtelle.
Als ich das Haus sah, wurde mir klar, daß ich die Rückseite schon beim Vorbeifahren auf dem Freeway gesehen hatte. Auf dem Dach hing eine schlaffe, orangefarbene Fahne mit der Aufschrift ZU VERMIETEN. Eine Regenrinne aus Beton trennte das Gebäude von der Straße, und eine drei Meter hohe Wand aus Holzziegeln, die mit Nachrichten für vorbeikommende Autofahrer besprüht war, schützte es vor heranrasenden Autos. Dornige Gräser waren am Fuß der Mauer gewachsen, und Abfall hatte sich in den wenigen größeren Büschen gesammelt, die es geschafft hatten, die Autoabgase zu überleben. Mir war das Gebäude aufgefallen, weil es so typisch für L. A. zu sein schien: kahl, billig gebaut, schlecht gestaltet. Von seiner Rückseite ging etwas Boshaftes aus, und der Eingang erwies sich als noch schlimmer.
Die Straße bestand zum größten Teil aus kalifornischen »Bungalows«, kleinen Zweizimmerhäusern aus Holz und Putz mit vernachlässigten Höfen ohne Bäume. Die meisten von ihnen waren in Pastellfarben gestrichen, merkwürdigen Tönen von Türkis bis Lila, die den Eindruck von Billigfarben machten, die die Farbe darunter nicht ganz überdeckt hatten.
Ich fand einen Parkplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite, schloß meinen Wagen ab und ging zu dem Apartmenthaus rüber.
Das Gebäude fing an, sich in seine Bestandteile aufzulösen. Der Putz wirkte mehlig und trocken, die Fensterrahmen aus Aluminium verbeult. Das schmiedeeiserne Tor vor dem Haus war einfach aus der Stützwand gerissen worden, zurückgeblieben waren faustgroße Löcher. Zwei Wohnungen zu ebener Erde waren mit Brettern vernagelt. Die Hausverwaltung hatte großzügig eine Reihe von Abfalltonnen nahe der Treppe zur Verfügung gestellt, aber (scheinbar) kein Geld, um den Abfall beseitigen zu lassen. Ein großer, gelber Köter scharrte begeistert in diesem Abfallhaufen herum, schien aber für seine Bemühungen nichts weiter als ein Viertelchen Pizza zu ernten. Er trabte davon, die Pizzakante wie einen Knochen zwischen den Zähnen.
Ich wagte mich in den Schutz der Treppe. Die Briefkästen waren größtenteils herausgefetzt worden, und die Post lag in der Eingangshalle verstreut wie Abfall. Der Adresse auf dem Scheck nach lebte Limardo in Apartment 26. Ich vermutete, daß es sich irgendwo oben befand. Es gab offensichtlich vierzig Wohneinheiten, nur wenige mit den Namen der Bewohner versehen. Das erschien mir merkwürdig. In Santa Teresa wird Post überhaupt nicht zugestellt, wenn es keinen Briefkasten gibt, der deutlich gekennzeichnet und in Ordnung ist. Ich stellte mir den Postboten vor, wie er seine Tasche wie einen Papierkorb ausleerte und dann zu Fuß entfloh, ehe die Bewohner des Hauses wie Käfer ausschwärmten.
Die Apartments waren in Reihen um einen Innenhof angeordnet, einen »Garten« aus losem Kies, rosa Pflastersteinen und Zyperngras. Ich suchte mir vorsichtig meinen Weg über rissige Betonstufen.
Auf dem zweiten Treppenabsatz saß ein Schwarzer in einem alten Klappstuhl aus Metall und ritzte mit einem Messer an einem Stock Kernseife herum. Eine Zeitschrift lag aufgeschlagen auf seinem Schoß, um die Abfälle aufzufangen. Er war vielleicht fünfzig Jahre alt, untersetzt und formlos, mit kurzgeschnittenem, krausem Haar, das an den Ohren Grau aufwies. Seine Augen waren von einem schmuddeligen Braun, das eine Lid verzerrt von einer Naht, die sich über seine Wange hinabzog.
Mit einem Blick nahm er meine Erscheinung in sich auf, ehe er sich wieder der Skulptur zuwandte, die unter seinen Händen Gestalt annahm. »Sie müssen Alvin Limardo suchen«, bemerkte er.
»Richtig«, antwortete ich überrascht. »Woher wissen Sie das?«
Er schenkte mir ein kurzes Lächeln, zeigte dabei perfekte Zähne, so weiß wie die Seife,
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