Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.
Ich rief Olive Kohler an und verabredete mich mit ihr für einen späteren Zeitpunkt an diesem Tag. Dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch und tippte meine Notizen ab. Gegen Mittag beschloß ich, ein paar Sachen zu erledigen. Daniel saß in einem Wagen, der direkt hinter meinem parkte. Er war auf dem Beifahrersitz zusammengesunken, hatte die Stiefelabsätze auf das Armaturenbrett gestützt und sich einen Cowboyhut über das Gesicht gezogen. Bei dem Wagen handelte es sich um einen zehn Jahre alte Pinto, dunkelblau, verbeult und verrostet und ohne Radkappen. Die Schaffellsitzbezüge sahen aus wie ein verfilzter Köter. Ein Sticker auf der Stoßstange verriet mir, daß der Wagen von Rent-A-Ruin stammte.
Daniel mußte das Tor quietschen gehört haben, als ich herauskam. Er drehte den Kopf und schob müde den Hut zurück. »Fühlst du dich jetzt besser?«
Ich schloß meinen Wagen auf, stieg ein, ließ den Motor an und fuhr los. Für den Rest des Tages mied ich meine Wohnung. Ich kann mich jetzt nicht mal mehr an die Hälfte dessen erinnern, was ich tat. Größtenteils hab’ ich meine Zeit verschwendet und die Tatsache bedauert, daß ich nicht nur kein Büro mehr hatte, sondern auch aus meiner eigenen Wohnung verbannt war.
Mit Hilfe einer Straßenkarte fand ich um 17 Uhr das Haus der Kohlers in einer abgelegenen kleinen Gasse, draußen in Montebello. Das Anwesen verbarg sich hinter einer drei Meter hohen Hecke, die Zufahrt war von einem elektronisch kontrollierten schmiedeeisernen Tor versperrt. Ich parkte auf der Straße und trat durch eine hölzerne Pforte ein, die in die Hecke eingebettet war. Das Haus war einstöckig, im englischen Tudorstil erbaut, mit einem steilen Ziegeldach und sehr hübschen Fachwerkgiebeln an der Vorderseite. Das Grundstück war groß, es gab Platanen und Eukalyptusbäume, die so glatt und grau waren wie Beton. Überall schien dunkelgrünes Efeu zu wachsen. Ich sah seinen Gärtner, der die Büsche zu Tierfiguren zurechtstutzte. Der hatte wohl die Walt-Disney-Schule für Landschaftsgestaltung besucht.
Die Zeitung lag auf der Fußmatte vor der Tür. Ich hob sie auf und drückte dann auf die Klingel. Es kam kein Mädchen, sondern Olive öffnete selbst. Sie trug einen Hausmantel aus grauem Satin und flache Satinpantoffeln, wie man sie aus Filmen mit Joan Crawford kennt. Es sieht immer so aus, als müßte es toll sein, so was zu tragen. Einen Moment lang sah ich mich, wie ich in Pantoffeln in meiner Wohnung herumlief. Zigarettenspitze. Dauergewelltes Haar. Ich könnte meine Augenbrauen zu schmalen Strichen zurechtzupfen.
»Hallo, Kinsey. Komm rein. Terry ist schon unterwegs. Ich hatte ganz vergessen, daß wir um sechs zu einer Cocktailparty eingeladen sind.« Sie trat von der Tür zurück, und ich folgte ihr ins Haus.
»Wir können das auf einen anderen Tag verschieben«, schlug ich vor und reichte ihr die Zeitung.
»Danke. Nein, nein. Das ist schon gut so. Wir haben sowieso noch eine Stunde Zeit, und die Leute wohnen nicht weit von hier. Ich muß mich fertig anziehen, aber wir können hier miteinander reden.« Mit einem kurzen Blick streifte sie die Zeitung und warf sie dann auf einen Tisch in der Halle, neben einen Stapel Post.
Sie klapperte den langen, mit dunklen Steinen gefliesten Korridor entlang zum großen Schlafzimmer auf der Rückseite des Hauses. Olive war schlank und blond, das schulterlange Haar fiel ihr voll in den Nacken. Ich fragte mich manchmal, ob Ash die einzige Schwester war, deren Haar seine natürliche Farbe behalten hatte. Olives Augen waren heilblau, ihre Wimpern schwarz, ihre Haut golden. Sie war dreiunddreißig oder so, nicht so spröde wie Ebony, aber auch ohne Ashs Herzlichkeit. Über die Schulter redete sie mit mir.
»Ich hab’ dich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Was treibst du denn so?«
»Hab’ meine eigene Agentur gegründet.«
»Verheiratet? Kinder?«
»Nein. Beides nicht. Habt ihr Kinder?«
Sie lachte. »Um Gottes willen.«
Das Schlafzimmer, das wir betraten, war geräumig. Balkendecke, großer Kamin, französische Türen, die auf einen ummauerten Innenhof hinausgingen. Ich konnte ein rundes Zwei-Personen-Warmwasserbecken sehen, von Farnkraut umgeben. Eine weiße Perserkatze hatte sich auf einem Liegestuhl zusammengerollt, das Gesicht in die buschige Schwanzspitze vergraben.
Der Schlafzimmerboden aus poliertem Teak war mit langflorigen Läufern aus weißer Wolle belegt, die wahrscheinlich von Yaks
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