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Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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langweiliger kalifornischer Goldjunge. Das Haar auf seinen Armen war fast weiß geblichen. Die Hände hatte er in die Hosentaschen geschoben, was auch ganz gut war so. Er ist Jazz-Pianist mir langen, knochigen Fingern. Ich hatte mich damals zuerst in seine Finger verliebt und dann in den Rest.
    »Ich war in Florida.« Auch noch ’ne gute Stimme... nur für den Fall, daß seine restlichen Vorzüge versagen sollten. Tief und rauh. Er singt wie ein Engel, spielt sechs Instrumente.
    »Was hat dich denn zurückgebracht?«
    »Ich weiß nicht. Hatte wohl Heimweh, schätze ich. ’n Freund von mir fuhr in diese Richtung, da hab’ ich mich angehängt. Hab’ ich dich geweckt?«
    »Nein, ich lauf oft so rum.«
    Jetzt ein leichtes Lächeln, perfektes Timing. Er schien ein wenig zu zögern, was gar nicht charakteristisch für ihn war. Er musterte mich, suchte (möglicherweise) nach einem Hinweis auf das Mädchen, das ich früher einmal war.
    »Mir gefällt dein Haarschnitt«, bemerkte er.
    »Ja, ist toll. Ich mag deinen auch.«
    »Schätze, ich hab’ dich in ’nem schlechten Augenblick erwischt. Tut mir leid.«
    »Ach, Daniel, könnten wir das vielleicht sein lassen? Ich hab’ nur eine Stunde geschlafen und fühle mich beschissen.«
    Es war klar, daß er sich die ganze Unterhaltung vorher zurechtgelegt hatte, aber in seiner Vorstellung war meine Antwort zärtlich gewesen und nicht einfach grob und unhöflich. »Ich wollte, daß du weißt, daß ich clean bin«, sagte er. »Seit einem Jahr. Keine Drogen. Kein Alkohol. Es war nicht leicht, aber ich hab’s wirklich geschafft.«
    »Super. Das freut mich. Aber es wurde ja wohl auch Zeit.«
    »Könntest du den Sarkasmus vielleicht lassen?«
    »So rede ich immer, seit du weg bist. Die Männer mögen das, ehrlich.«
    Er wippte leicht auf den Fersen und warf einen Blick über den Hof. »Schätze, bei dir kriegt niemand eine zweite Chance.«
    Ich machte mir nicht die Mühe, darauf zu antworten.
    Er versuchte es auf eine andere Art. »Hör mal. Ich hab’ ’ne Therapeutin namens Elise; Sie war es, die vorgeschlagen hat, ich sollte alles in meinem Leben in Ordnung bringen, was noch aus der Vergangenheit offen ist. Sie dachte, für dich wäre es vielleicht auch gut.«
    »Is ja toll. Gib mir ihre Adresse, dann bedank’ ich mich bei ihr.«
    »Darf ich reinkommen?«
    »Himmel noch mal, Daniel, natürlich nicht! Hast du denn immer noch nicht begriffen? Ich hab’ dich seit acht Jahren nicht gesehen, und jetzt zeigt sich, daß das noch nicht lange genug war.«
    »Wie kannst du nach all der Zeit noch so feindselig sein? Ich bringe dir keine schlechten Gefühle entgegen.«
    »Warum solltest du auch? Ich hab’ dir schließlich nichts getan!«
    Er sah mich traurig und verletzt an, und seine Verwirrung schien ehrlich zu sein. Es gibt Menschen, die legen dich rein und verstehen dann überhaupt nicht, wie tief dein Schmerz geht. Er verlagerte sein Gewicht. Scheinbar lief das alles nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Er streckte die Hand aus, um einen Holzsplitter aus dem Türrahmen über meinem Kopf zu ziehen. »Ich hätte nicht gedacht, daß du so verbittert bist. Das sieht dir gar nicht ähnlich, Kinsey. Wir hatten ein paar wirklich schöne Jahre.«
    »Jahr. Einzahl. Elf Monate und sechs Tage, um genau zu sein. Vielleicht solltest du deine Hand dort wegnehmen, ehe ich die Tür zuschlage.«
    Er nahm die Hand fort.
    Ich schlug die Tür zu und ging zurück ins Bett.
    Nach ein paar Minuten hörte ich das Tor quietschen.
    Ich warf mich eine Weile hin und her, aber es war klar, daß ich nicht wieder einschlafen würde. Ich stand auf, putzte mir die Zähne, duschte, wusch mir die Haare und rasierte die Beine. Ich habe mir oft vorgestellt, daß er wieder auftauchen würde. Ich habe mir lange Monologe ausgedacht, in denen ich meiner Wut und meinem Schmerz freien Lauf ließ. Jetzt wünschte ich, er würde wiederkommen, damit ich es besser machen könnte. Zurückgewiesen werden ist schwer. Man bleibt mit einer emotionalen Last zurück, die man auf jeden anderen ablädt. Es geht nicht nur um den Verrat, sondern auch um den Menschen, zu dem man wird... und der für gewöhnlich nicht sehr nett ist. Jo-nah hatte es überstanden. Er schien zu begreifen, daß es nichts mit ihm zu tun hatte. Er war selbst so grob, daß einbißchen Unhöflichkeit ihm nichts ausmachte. Was mich angeht, so hatte ich wirklich gedacht, ich hätte mit der Vergangenheit abgeschlossen, bis ich ihm plötzlich wieder von

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