Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
ihn interessiert, aber das ist nicht viel. Er hat kein Gespür für Zahlen. Absolut nicht. Er haßt es, in einem Büro zu sitzen, und Routine kann er nicht ausstehen. Er ist gut, wenn es darum geht, Geschäfte anzukurbeln, aber er ist ausgesprochen schlecht darin, sie dann auch durchzuziehen. Ende.«
»Hast du das selbst beobachtet? Oder behauptet Ebony das?«
»Ich höre jeden Tag, was in der Firma passiert. Terry ist ein Workaholic und spricht fast nur vom Geschäft.«
»Wie kommen er und Lance miteinander aus?«
»Die schlagen sich ständig die Köpfe ein. Terry ist besessen. Es macht ihn wahnsinnig, wenn Leute was versauen. Entschuldige diesen hochwissenschaftlichen Ausdruck. Lance hat kein Urteilsvermögen. Das wissen alle. Wenn du noch Zweifel daran haben solltest, dann schau dir nur mal die Frau an, die er geheiratet hat.«
»Wie steht es mit dem Rest der Familie? Kann der ihn nicht überstimmen?«
»Nee. Wir besitzen zusammen nur neunundvierzig Prozent der Aktien. Ebony will Druck auf ihn ausüben, aber sie kann ihn nicht aus der Firma jagen.«
»Ich nehme an, Bass mischt sich von New York aus nicht ein.«
»Er taucht gelegentlich bei Vorstandssitzungen auf. Es macht ihm Spaß, den großen Mogul zu spielen, aber er ist harmlos. Er und Lance halten für gewöhnlich zusammen.«
»Auf wessen Seite steht Ashley?«
»Keine Ahnung. Aber offensichtlich hofft Ebony, daß sie uns alle auf ihre Seite ziehen kann.«
»Wie fühlt sich eure Mutter bei all dem? Das kann ihr doch nicht gerade gefallen.«
»Sie haßt es. Sie möchte, daß Lance die Kontrolle bekommt. Nicht, weil sie ihn für gut hält, sondern weil sie glaubt, daß es dann weniger Ärger gibt.«
»Glaubst du, daß er ehrlich ist?«
»Lance? Machst du Witze? Unmöglich.«
»Wie kommt ihr beiden aus?«
»Ich kann ihn nicht ausstehen. Er ist ein sehr verschlossener Mensch und soooo paranoid. Ich hasse es, in seiner Nähe zu sein. Er geht mir auf die Nerven. Er ist mein Bruder, und ich liebe ihn, versteh mich da nicht falsch. Ich mag ihn nur nicht sonderlich.« Sie zog die Nase kraus. »Er riecht immer nach Knoblauch und Schweiß und diesem schrecklichen Brut-Cologne. Ich weiß nicht, warum Männer das benutzen. Es ist so abstoßend.«
»Hast du irgendwelchen Klatsch über den Brand im Lager gehört?«
»Nur, was Terry mir erzählt hat. Du weißt sicher, daß Lance vor zwei Jahren Geld geliehen und die Firma als Sicherheit eingesetzt hat. Jetzt droht er alles zu verlieren. Er könnte eine halbe Million Dollar gut brauchen.«
»Tatsächlich. Das höre ich zum erstenmal.«
Sie zuckte nur mit den Schultern. »Er ging ins Druckgewerbe, was an sich schon dumm genug ist. Ich habe gehört, Druckereien und Restaurants sind die besten Möglichkeiten, um schnell pleite zu gehen. Er kann von Glück sagen, daß das Lager abgebrannt ist.« Sie stützte die Ellbogen auf die Knie und das Kinn auf eine Faust. »Wenn du Antworten suchst, ich hab’ keine mehr. Mir ist Lance egal. Mir ist auch Wood/Warren egal, wenn du die Wahrheit wissen willst. Manchmal amüsieren mich die ganzen Geschichten da wie eine Seifenoper, wie Denver Clan, aber eigentlich ist es immer todlangweilig.«
»Was ist dir denn dann nicht egal?«
»Tennis. Reisen. Kleider. Golf. Was gibt es sonst noch?«
»Hört sich an wie ein lustiges Leben.«
»Ist es auch. Ich habe Gäste. Ich engagiere mich bei Wohlfahrtsorganisationen, wenn ich Zeit habe. Es gibt Leute, die halten mich für eine verzogene, faule Ziege, aber ich habe, was ich haben will. Das ist mehr, als die meisten Leute von sich behaupten können. Die Habenichtse sind es, die immer an irgendeinem ihre Wut auslassen müssen. Ich bin ein zahmes Kätzchen.«
»Du kannst von Glück sagen.«
»Sagen wir mal, es gibt keinen Freifahrtschein. Ich zahle auch einen Preis, das kannst du mir glauben.«
Ich konnte sehen, wie anstrengend das sein mußte.
Wir hörten jemanden am Eingang, dann Schritte in der Halle. Als Terry Kohler die Schlafzimmertür erreichte, war er bereits damit beschäftigt, Mantel und Krawatte abzulegen.
»Hallo, Kinsey. Olive hat schon erzählt, daß du kurz vorbeikommen würdest. Ich springe schnell unter die Dusche, und da nach können wir uns unterhalten.« Er sah zu Olive hinüber. »Kannst du uns einen Drink holen?« fragte er. Sein Ton ließ keine Widerrede zu.
Es war nicht gerade so, daß sie sich auf die Hinterbeine stellte und ihn anfauchte, aber sie schien kurz davor zu sein. Vielleicht war ihr Job doch
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