Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
Vielleicht ist dieser so oberflächlich versteckt worden, um uns von dem anderen abzulenken.« Ich nahm meine Handtasche und ging auf die Tür zu, blieb auf der Schwelle noch einmal stehen. »Rufen Sie mich an, wenn Ihnen irgend etwas einfällt. Und wenn Sie von Lyda Case hören, lassen Sie es mich wissen.«
Als ich durch die Empfangshalle ging, bog ich nach rechts ab. In diesem Büro standen die Zeichentische der Ingenieure. John Salkowitz blickte von dem Diagramm, an dem er zeichnete, zu mir auf. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ist Ava Daugherty irgendwo in der Nähe?«
»Sie ist gerade gegangen. Mußte einiges erledigen, sollte aber jeden Augenblick wieder zurückkommen.«
Ich zog meine Karte und legte sie auf ihren Schreibtisch. »Richten Sie ihr bitte aus, sie möchte mich anrufen.«
»Mach ich.«
Um 15 Uhr war ich wieder daheim. Ich fühlte mich verschwitzt und schmutzig vom Herumrutschen in Lances Büro. Ich schloß auf, betrat meine Wohnung und warf die Handtasche auf die Couch. Ein schrilles Pfeifen erklang, ich machte einen Satz und packte meine Tasche. Ich zerrte das Suchgerät aus der Vortasche und legte den Schalter um. Mein Gott, ich hatte mich zu Tode erschreckt! Die Stille war wundervoll. Da stand ich nun, mit klopfendem Herzen, genoß die kühle Luft auf meiner schweißnassen Haut. Ich klopfte mir auf die Brust und atmete hörbar aus. Dann schüttelte ich den Kopf und ging in die Kochnische. Ich sehnte mich nach einem Bier. In der Wohnung war es heiß und dampfig wie in einer Sauna. Ich warf einen Blick in den Kühlschrank. Ich hatte nicht mal eine Dose Diät-Pepsi.
Und dann hielt ich inne, drehte langsam den Kopf zum Zimmer hinter mir um. Ich schloß den Kühlschrank und ging zur Couch zurück. Ich hob das Suchgerät auf und schaltete es wieder ein, ging durchs Zimmer. Das schrille Pfeifen durchschnitt die Stille wie eine Alarmsirene.
Ich ging in die Ecke und stand da, starrte nach unten. Dann ließ ich mich auf die Fersen hinunter und fuhr vorsichtig mit einer Hand in Daniels Gitarre. Der winzige Sender, nicht größer als eine Streichholzschachtel, war mit Tesafilm am Klangkörper der Gitarre befestigt. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Daniel hing irgendwie in dieser Sache mit drin.
21
Ich brauchte fast zwei Stunden, um den Recorder zu finden, der auf der Sonnenveranda versteckt war, die meine umgebaute Garage mit dem Haupthaus verband. Ich war mir nicht sicher, wie Daniel da hingelangt war. Vielleicht hatte er das Schloß aufgebrochen, wie ich es an seiner Stelle getan haben würde. Die Kassette war frisch. Das bedeutete, er mußte erst kürzlich hiergewesen sein, die alte Kassette herausgenommen und diese hier eingelegt haben. Ich konnte mich nicht einmal erinnern, wie das gewesen war, als er zum erstenmal hier auftauchte. Es war entsetzlich, wenn ich an all die Telefongespräche dachte, die er in den letzten paar Tagen mit angehört haben mußte. Sogar die Nachrichten, die auf meinem Anrufbeantworter eingegangen waren, mußten aufgezeichnet und weitergeleitet worden sein, ganz abgesehen von der ausführlichen Diskussion, die ich mit ihm selbst über diesen Fall geführt hatte. Er war so interessiert gewesen, hatte so geschickte Fragen gestellt. Ich war so dankbar für seine Aufmerksamkeit gewesen. Im nachhinein begriff ich jetzt, daß er auf seine Art versucht hatte, mich zu warnen. Dieses ganze Gerede darüber, welch ein Lügner er war. War jedes Wort, das er zu mir gesagt hatte, falsch gewesen? Ich hockte mich auf die Stufe meiner Hintertreppe und ging im Geiste die ganze Situation noch einmal durch. Wer hatte Daniel da hineingezogen? Lyda Case vielleicht oder auch Ebony. Die eine oder andere von ihnen war vielleicht zufällig mit Daniel zusammengetroffen, dem unmoralischen Frauenhelden, gelangweilt, ruhelos, des Lebens überdrüssig. Welchen Unterschied machte es schon für ihn, wen er verriet? Er hatte mich schon früher reingelegt. Einmal mehr konnte da nicht schaden. Es war entsetzlich, wenn ich an all die Informationen dachte, die auf diesem Kanal weitergeleitet worden waren, einfach durch Abhören, einfach dadurch, daß man meine Seite der Telefongespräche mithörte und sich einen Reim darauf machte. Vielleicht hatte Andy Motycka auf diese Weise herausgefunden, daß Darcy und ich ihm auf der Spur waren. Irgend etwas hatte ihn ja veranlaßt abzuhauen. Von Olives Tod hatten die Zeitungen erst am Tag nach seinem Verschwinden berichtet. Hatte er gewußt, was geschehen
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