Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
war, abgesehen davon, daß sie Terry Kohler erzählt hatte, sie hätte Informationen für ihn. Dolan hatte mit uns am Bird Refuge gewartet, wußte also, daß sie nicht gekommen war. Wahrscheinlich war sie da schon tot gewesen, hatte ihr Fleisch angefangen, in diesem Ofen von einem verschlossenen Auto zu backen.
Aus dem Augenwinkel sah ich zu, wie der Arzt eine erste Untersuchung des Leichnams abschloß. Die Autotüren standen offen, die nähere Umgebung war erfüllt vom Gestank der Toten. Es war inzwischen völlig dunkel, und die Nachbarn machten einen großen Bogen um die Szene, beobachteten aber alles von den Veranden zu beiden Seiten der Straße aus. Einige von ihnen trugen noch Arbeitskleidung. Viele hielten sich Taschentücher vor die Nasen, um sich vor dem Geruch zu schützen. Die Beamten, die direkt mit der Toten zu tun hatten, trugen Gesichtsmasken. Lampen waren aufgestellt worden, die Fingerabdruckspezialisten untersuchten jeden Zentimeter des dunkelblauen Fahrzeugs mit weißem Pulver und Pinseln. Türgriffe, Fenster, Armaturenbrett, Lenkrad, Schalthebel, Kunststoffbezüge der Sitze. Da der Leihwagen zwischen den einzelnen Kunden wahrscheinlich gereinigt wurde, bestand eine gute Chance, wichtige Fingerabdrücke zu finden. Auf jeden Fall sollten sie leicht zuzuordnen sein.
Pettigrew war in meine Wohnung gegangen, um sich telefonisch mit dem Manager von Hertz in Verbindung zu setzen.
Lyda wurde in eine Hülle geschoben. Die Case, die sich unter ihrer Haut angesammelt hatten, ließen sie so aussehen, als hätte sie plötzlich fünfzig Pfund zugenommen, und einen Moment lang hatte ich die groteske Befürchtung, sie könnte platzen. Ich stand abrupt auf und ging hinein. Ich schenkte mir ein Glas Wein ein und kippte es hinunter wie Wasser. Officer Pettigrew beendete sein Gespräch und legte auf.
»Ich werde jetzt duschen, wenn niemand etwas dagegen hat.« Ohne eine Antwort abzuwarten, holte ich mir eine Abfalltüte aus der Küche, schloß mich im Bad ein und zog mich aus; ließ alles, was ich getragen hatte, einschließlich meiner Schuhe, in die Plastiktüte fallen. Ich band sie fest zu und stellte sie vor die Badezimmertür. Dann duschte ich. Ich wusch mir das Haar. Als ich fertig war, wickelte ich mich in ein Handtuch und musterte mein Gesicht im Spiegel. Ich konnte die Bilder nicht abschütteln. Lydas Züge schoben sich vor meine eigenen, ihr Gestank lag im Wettstreit mit dem Geruch von Shampoo und Seife. Nie war mir meine eigene Sterblichkeit so bewußt gewesen. Mein Ich schien sich zusammenzuziehen. Es gibt nichts, was für einen Menschen so erstaunlich oder so beleidigend wäre wie die Vorstellung, eines Tages nicht mehr zu »sein«. Daraus entspringt Religion, aber deren Art von Trost kann ich nicht akzeptieren.
Um 21 Uhr war wieder alles beim alten in der Nachbarschaft. Ein paar Fingerabdrücke, darunter auch ein teilweiser Handabdruck, waren im Wagen gefunden worden, der inzwischen auf den Polizeiparkplatz geschleppt worden war. Der Manager von Hertz war gekommen, und der Spezialist hatte ihm die Fingerabdrücke ebenso abgenommen wie mir, des Vergleichs wegen. Die Beamten der Spurensicherung würden den Wagen noch einmal gründlich durchgehen und dann versuchen, Spuren zu verfolgen.
Zu Hause hielt ich es nicht aus. Jegliches Gefühl von Sicherheit und Zurückgezogenheit war mir durch Lydas Gesicht genommen worden, das so zu meiner Haustür hin gedreht worden war, daß es so aussah, als wollte sie diese beobachten. Ich schlüpfte in einen Blouson und schnappte mir die Handtasche. Dann stopfte ich auf meinem Weg nach draußen den Sack mit Kleidern in Henrys Mülltonne. Wieder suchte ich die Nachbarschaft nach Daniels Wagen ab, besuchte dieselben Restaurantparkplätze, dieselben Motels. Noch immer lag seine Gitarre hinten bei mir auf dem Rücksitz, und ich glaubte nicht, daß er die Stadt verlassen würde, ohne sie zu holen.
Ich gelangte auf die Ocean View, von der aus man in Wirklichkeit nur einen Blick auf die Rückseite des Motels dort hatte. Daniels alter Wagen parkte vor Zimmer 16, Erdgeschoß. Daneben stand ein kleines, rotes Alfa-Romeo-Cabrio. Ungläubig starrte ich es an, als ich auf den Parkplatz einbog. Ich schloß meinen Wagen ab, blieb kurz stehen und schaute im Handschuhfach des Alfas nach, auf wen er zugelassen war. Es überraschte mich nicht mehr, daß er Ashley Wood gehörte. O Mann!
Ich klopfte an Daniels Tür. Drinnen brannte Licht, aber ich mußte dennoch lange warten. Ich dachte
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