Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
dient, die den Ton überträgt. Lances Büro befand sich in der rechten vorderen Ecke des Gebäudes. Es bestand hier aus Feldsteinen, die eine derartige Installation nicht gerade erleichterten. Irgend jemand hätte soliden Fels durchbohren müssen. Im Innern war eine Bürowand mit dem Empfangsbereich verbunden. Dort hätte man Schwierigkeiten gehabt, das Aufnahmegerät zu verstecken. Die vierte Wand war sauber.
Firmenangestellte sahen uns beiden desinteressiert zu, als wir die Anfangsphase der Suche durchliefen. Wenn irgend jemand Angst haben sollte, wir könnten etwas finden, so war davon jedenfalls nichts zu bemerken.
Wir betraten das Büro. Als erstes überprüfte ich das Telefon, entfernte die Bodenplatte und schraubte den Hörer auseinander. Soweit ich es beurteilen konnte, war das Gerät sauber.
»Ich nehme an, es ist nicht das Telefon«, bemerkte Lance, der mir zugesehen hatte.
»Wer weiß? Die Wanze kann auch weiter unten angeschlossen sein«, meinte ich. »Ich habe keine Möglichkeit festzustellen, ob jemand die Leitung am Telefonmast angezapft hat. Wir müssen davon ausgehen, daß die Wanze irgendwo hier im Zimmer ist. Es kommt jetzt nur noch darauf an, sie zu finden.«
»Was suchen wir eigentlich genau?« fragte Lance.
Ich zuckte die Achseln. »Mikrofon, Sender. Wenn Sie vom FBI oder CIA bespitzelt werden, finden wir wahrscheinlich gar nichts. Ich nehme an, daß die Jungs dort gut sind. Wenn es sich allerdings um einen Amateur handelt, dann könnte die Anlage ziemlich einfach sein.«
»Und was ist das da für ein Ding?«
»Mein immer griffbereiter, kleiner Detektor«, erklärte ich. »Sollte jeden Laut auffangen, den die Wanze überträgt, und durch die Rückkopplung entsteht dann ein schriller Pfeifton. Wir versuchen es zuerst damit, und wenn es nichts bringt, nehmen wir das Büro Stück für Stück auseinander.«
Ich schaltete den Empfänger ein und fing an, mich durch die beliebtesten Abhörfrequenzen zu arbeiten. Dabei ging ich im Büro hin und her wie jemand, der nach einer Wasserader sucht. Nichts.
Ich stopfte das Gerät in die Außentasche meiner Handtasche und fing an, ernsthaft zu suchen, arbeitete mich zuerst an den äußeren Wänden des Raumes entlang, dann immer weiter auf die Mitte zu, nach einem imaginären Muster, das keinen Zentimeter ausließ.
Nichts.
Einen Moment lang blieb ich völlig verblüfft stehen, ließ meinen Blick über die Decke schweifen, an den Wänden entlang, über den Boden. Wo steckte das Ding? Meine Aufmerksamkeit wurde von dem Telefonanschluß gleich rechts von der Tür angezogen. Eine Telefonschnur kam nicht daraus hervor.
»Was ist das?«
»Was? Ach, das. Ich habe den Anschluß verlegen lassen, als ich das Büro umgeräumt habe. Früher stand das Telefon dort.«
Ich ließ mich auf Hände und Füße hinab und untersuchte den Anschluß. Sah okay aus. Ich holte meinen Schraubenzieher heraus und entfernte die Abdeckplatte. Ein kleines Stück der Fußleiste war entfernt worden. In den Hohlraum hatte jemand einen Mikro-Kassettenrecorder geschoben, ungefähr so groß wie ein Kartenspiel.
»Hallo«, sagte ich. Das Band drehte sich halb und hielt wieder an. Ich entfernte den Sensorkopf von dem Gerät, das sich einschaltete, sobald Stimmen ertönten, und stellte den Recorder auf seinen Schreibtisch. Lance ließ sich schwer in seinen Drehstuhl fallen. Er und ich wechselten einen Blick.
»Warum?« staunte er.
»Ich weiß es nicht. Sagen Sie es mir.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht mal, wo ich zu denken anfangen soll. Soweit ich weiß, habe ich keine Feinde.«
»Anscheinend doch. Und nicht nur Sie. Hugh Case ist tot, und Terry wäre es, wenn er das Paket aufgehoben hätte und nicht Olive. Was haben Sie drei miteinander gemein?«
»Nichts. Ich schwöre es. Wir haben alle mit Wood/Warren zu tun, aber wir machen nicht einmal dieselbe Arbeit. Wir stellen Schmelzöfen her. Das ist alles. Und Hugh ist vor zwei Jahren gestorben. Warum? Wenn jemand die Gesellschaft in den Griff bekommen will, warum sollte er dann die Angestellten töten?«
»Vielleicht ist das nicht das Motiv. Es könnte etwas sein, das überhaupt nichts mit der Fabrik zu tun hat. Denken Sie darüber nach. Ich spreche mit Terry. Er soll das auch tun. Vielleicht gibt es etwas, das Sie übersehen haben.«
»Muß wohl so sein.« Sein Gesicht war rot vor Hitze und Anspannung. Mit einem Finger stieß er den Recorder an. »Danke hierfür.«
»Seien Sie vorsichtig. Es könnte noch einen geben.
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