Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
bei der Ausschreibung? Ich frage mich, ob das etwas damit zu tun hat.«
»Ich kann mich nicht mehr erinnern. Warten Sie mal. Ich frage.« Ava drehte sich um und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. John Salkowitz kam gerade vorbei, eine Blaupause in der Hand, offensichtlich auf dem Weg zum rückwärtigen Teil der Fabrik. »John? Kann ich Sie mal was fragen?«
Er wandte sich zu uns um. Sein Gesicht verdüsterte sich, als er mich erblickte. »Was ist das für eine Geschichte mit Lyda Case? Meine Frau hat gerade angerufen und gesagt, sie hätte in den Nachrichten davon gehört.«
Ich versah ihn mit der Kurzfassung und verknüpfte sie mit der Frage, die uns im Augenblick beschäftigte. »Ich versuche immer noch dahinterzukommen, wie das in diese Sache mit Lance hineinpaßt. Es muß irgendwo eine Verbindung geben.«
»Man beschuldigt ihn doch nicht ernsthaft des Versicherungsbetrugs, oder?«
»Sieht schon so aus. Zusammen mit mir, kann ich wohl hinzufügen.«
»Entsetzlich. Nun, also gut. Ich weiß zwar nicht, was das mit der Ausschreibung zu tun haben könnte, bei der wir uns beworben haben, aber ich werde Sie informieren. Wir bekommen hier ein kleines Handelsblatt, Commerce Daily, das von der Regierung herausgegeben wird. Es gehörte zu Hughs Aufgaben, das durchzusehen nach irgendwelchen Ausschreibungen, die für uns in Frage kommen könnten. Er fand eine, in der um Gebote für einen Ofen zur Verarbeitung von Beryllium ersucht wurde. Das wird bei der Herstellung von Atombomben und Raketentreibstoff benutzt. Es ist gefährliche Arbeit. Wir hätten ein völlig neues Belüftungssystem einbauen lassen müssen, um CALOSHA unterzubringen, aber danach wären wir in der Lage gewesen, auch an künftigen Ausschreibungen teilzunehmen. Woody fand, daß die Investition für diese Umrüstung sich lohnen würde. Wir waren nicht alle seiner Meinung, aber er war ein schlauer Mann, und man konnte seinem Instinkt vertrauen. Auf jeden Fall waren wir hinter diesem Auftrag her.«
»Was hätte es der Gesellschaft eingebracht?«
»’ne Viertelmillion. Vielleicht auch ’ne halbe. Auf lange Sicht gesehen natürlich mehr, wenn wir künftig hätten mitbieten können.«
»Wie stand die Sache, als Hugh starb?«
»Ich weiß nicht. Schätze, wir waren gerade dabei, uns richtig reinzuknien. Ich weiß, daß er in Los Angeles war, um alle Unterlagen zu holen. Da wir es mit dem Verteidigungsministerium zu tun hatten, brauchten wir Unbedenklichkeitszeugnisse, für jeden einzelnen von uns ebenso wie für die Firma. Flughs Tod hat sich da nicht groß ausgewirkt, aber als Woody dann auch noch starb, haben wir den Mut verloren.«
»Hätte der Betrieb mit dem Auftrag fertig werden können, nachdem beide Männer tot waren?«
»Wahrscheinlich schon, aber nachdem Lance gerade erst die Firma übernommen hatte, hat er kalte Füße bekommen. Ich nehme an, wir haben die Sache einfach fallenlassen, aber mehr war da nicht. Wir hätten vielleicht sowieso nicht das niedrigste Angebot gemacht, also sind das alles doch nur Vermutungen.«
»Wie sieht es seither mit Ausschreibungsbeteiligungen aus?«
»Um diesen Aspekt des Geschäftes haben wir uns nicht sonderlich gekümmert. Wir sind ja so schon die meiste Zeit überlastet.«
Ratlos starrte ich ihn an. »Und Sie glauben nicht, daß das wichtig wäre?«
»Wenn es das ist, dann sehe ich nicht, inwiefern.«
»Jedenfalls vielen Dank. Ich komme vielleicht noch einmal auf Sie zurück.«
»Sicher doch.«
Ava und ich unterhielten uns noch eine Weile, aber es kam nichts dabei heraus, abgesehen von einer Kleinigkeit. Sie erwähnte beiläufig, daß Ebony an der Beerdigung von Hugh Case teilgenommen hatte.
»Ich dachte, sie wäre in Europa gewesen, mit irgendeinem Playboy namens Julian verheiratet.«
»War sie auch. Aber sie kamen ungefähr alle sechs Wochen zu Besuch in die Staaten.«
»Wie lange war sie in der Stadt gewesen? Haben Sie eine Ahnung?«
Ihr Blick zeigte keine Reaktion. »Da kann ich Ihnen nicht helfen. Ich war selbst zu neu hier, um zu wissen, was in dieser Familie normal war.«
»Vielleicht kann ich das überprüfen. Danke für Ihre Hilfe.«
Als ich in die Stadt zurückfuhr, war ich wütend auf mich selbst. Ich hatte fälschlicherweise angenommen, daß weder Ebony noch Bass mit Hughs Tod zu tun gehabt haben konnten, da sie zu dieser Zeit beide nicht hier gewesen waren — Ebony in Europa, Bass in New York. Jetzt war ich mir nicht mehr so sicher. Ich hielt an einer Telefonzelle und rief
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