Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
selig darüber, daß ich keinen Bericht über die Ereignisse des Tages tippen mußte. Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte keine weiteren Pläne, keine Strategie, wie ich diese Sache anpacken sollte. Ich hatte keine Ahnung, was hier vorging. Ich fuhr einfach von einer Seite der Stadt zur anderen hinüber, in der Hoffnung, über irgend etwas zu stolpern. Ich mied außerdem meine Wohnung, weil ich vor meinem geistigen Auge Polizisten mit einem Haftbefehl vor meiner Tür stehen sah. Andy stellte eines der fehlenden Glieder dar. Irgend jemand hatte sich einen kunstvollen Plan ausgedacht, um Lance in Mißkredit zu bringen und zwei wichtige Ingenieure bei Wood/Warren auszuschalten. Andy hatte das Rahmenwerk geliefert, aber nachdem Olive ins himmlische Königreich geblasen worden war, mußte er beschlossen haben, selbst zu verschwinden. Wenn ich die Verbindung zwischen Andy Motycka und der Person herstellen konnte, die ihn in die ganze Sache hineingezogen hatte, dann kam ich vielleicht auch darauf, was ihm das Ganze einbringen konnte.
    Die elektronischen Tore bei The Copse standen offen, und ich fuhr hinein, ohne bewaffnete Wächter oder bösartige Hunde anzuziehen. Eine große, blonde Frau im Overall führte einen Apricot-Pudel spazieren, sah mich aber kaum an. Ich stellte meinen Wagen auf den Platz, der durch Andys Abreise frei geworden war. Dann trabte ich in den ersten Stock hinauf und sperrte mir die Tür mit dem Schlüssel auf, den er auf dem Türrahmen über seiner Wohnung aufbewahrte, wie ich von meinem früheren Besuch her wußte. Ich muß gestehen, daß ich ängstlich schnüffelte, als ich die Wohnung betrat, fürchtete, Andy könnte dasselbe Ende gefunden haben wie Lyda Case. Die Wohnung roch anständig, und der Staub, der sich auf den leeren Bücherregalen abgesetzt hatte, bestätigte, daß seit Tagen niemand hier gewesen war.
    Ich ging schnell einmal durch die Wohnung, um mich zu vergewissern, daß niemand da war. Ich öffnete die rückwärtige Schiebetür aus Glas, schaute in alle Zimmer und kehrte schließlich ins Wohnzimmer zurück, wo ich die Jalousien hochzog. Neugierig ging ich im Tageslicht umher. Andy lebte so spartanisch, daß seine Wohnung sogar verlassen ausgesehen hatte, als er noch hier wohnte. Jetzt jedoch gab es nur noch den Teppichboden, der mit Papierschnitzeln übersät war. In Situationen wie dieser sehnte ich mich immer nach etwas Offensichtlichem — rätselhaften Botschaften, Motelrechnungen, Terminkalendern, die darauf hinwiesen, wohin der Vermißte gegangen sein könnte. Die Papierstücke auf Andys Boden gehörten keiner dieser Kategorien an, und nachdem ich auf Händen und Knien herumgekrochen war, um sie zu lesen, war ich nicht klüger als vorher. Die Arbeit eines Privatdetektivs hält viele Erniedrigungen für ihn bereit.
    Das Medizinschränkchen in seinem Badezimmer war ausgeleert worden. Shampoo, Deo und Rasierzeug waren fort. Wo immer er war, würde er glattrasiert und wohlriechend herumlaufen. Die schmutzige Wäsche aus seinem Schlafzimmer war verschwunden, die blauen Plastikkisten waren leer. Nur eine alte Unterhose war zurückgeblieben, Boxershorts, übersät mit fuchsienroten Ausrufungszeichen. Ich staune immer wieder über die Unterwäsche der Männer. Konnte man so etwas auch nur ahnen, wenn man sich die nüchternen Dreiteiler ansah? Er hatte sein Fahrrad zurückgelassen, das Rudergerät und die restlichen Umzugskartons. Im Wäscheschrank lagen noch immer ein paar schlecht gefaltete Laken, im Gefrierschrank fand sich ein Paket Pizza. Er hatte die Flasche Aquavit ebenso mitgenommen wie die Milky-Way-Riegel. Vielleicht erwartete ich, daß sein Leben von nun an aus dem endlosen Mißbrauch von Zucker und Alkohol bestehen würde.
    Der Couchtisch stand noch an der alten Stelle, mit dem Anrufbeantworter darauf, die Aluminiumstühle waren aufgestellt worden, als hätte er Gäste erwartet. Ich setzte mich, legte die Füße auf den nächsten Stuhl und musterte Andys provisorisches Büro. Da waren noch immer ein paar Stifte, ein Notizblock, unbezahlte Rechnungen. Es stellte sich heraus, daß er denselben Anrufbeantworter hatte wie ich. Ich streckte die Hand aus und ließ das Seitenpaneel aufschnappen, auf dem die »häufig gewählten« Nummern eingetragen werden konnten. Von den sechzehn vorgesehenen Feldern waren nur sechs beschriftet. Andy war wirklich einfallsreich. Feuerwehr, Polizei, California Fidelity, seine Exfrau, eine Spirituosenhandlung und eine Pizzeria mit Lieferung frei

Weitere Kostenlose Bücher