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Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ist, was hier vorging. Vielleicht hat sie Hughs Unterlagen noch einmal durchgesehen und ist dabei auf etwas Wichtiges gestoßen.«
    »Was zum Beispiel?«
    »He, wenn ich das wüßte, dann wüßte ich wahrscheinlich auch, wer sie auf dem Gewissen hat, oder nicht?«
    Ebony bewegte sich unruhig. »Ich habe noch etwas zu erledigen. Warum sagst du mir nicht einfach, was du willst.«
    »Also schön, laß sehen. Als ich ziellos durch die Stadt kurvte, kam mir plötzlich der Gedanke, es könnte helfen zu wissen, wer Olives Anteile erbt.«
    »Anteile?«
    »Ihre zehn Prozent stimmberechtigten Anteile. Die bleiben doch bestimmt in der Familie. Also, wem hat sie sie wohl hinterlassen?«
    Zum erstenmal war sie wirklich verwirrt, und die Farbe auf ihren Wangen wirkte echt. »Was macht das für einen Unterschied? Die Bombe war für Terry bestimmt. Olive starb durch ein Versehen, oder nicht?«
    »Ich weiß nicht. War es so?« gab ich zurück. »Wer hat einen Vorteil davon? Lance? Du?«
    »Ash«, erklang eine Stimme. »Olive hat ihr Aktienpaket ihrer Schwester Ashley hinterlassen.« Mrs. Wood erschien auf dem oberen Flur. Ich schaute auf, sah sie sich ans Treppengeländer klammern. Ihr ganzer Körper zitterte vor Anstrengung.
    »Mutter, du mußt dir darüber keine Gedanken machen.«
    »Ich denke doch. Komm in mein Zimmer, Kinsey.« Mrs. Wood verschwand.
    Ich warf Ebony einen Blick zu, drängte mich dann an ihr vorbei und ging die Treppe hinauf.

24

    Wir saßen in ihrem Zimmer vor französischen Türen, die auf einen Balkon mit Blick zum Meer hinausgingen. Dünne Vorhänge blähten sich im Wind, der nach Salz roch. Die Suite war dunkel und alt, ein Sammelsurium von ziemlich geschmacklosen Stücken, die sie und Woody aus den Anfangsjahren ihrer Ehe herübergerettet haben mußten: eine Frisierkommode mit gesprungenem Furnier, ein Paar häßliche Lampen mit dunkelroten Seidenschirmen. Ich fühlte mich an die Schaufenster von Trödlern erinnert, die mit dem Zeug anderer Leute vollgestellt waren. Nichts in diesem Zimmer ließ sich als »Sammlerstück« bezeichnen, geschweige denn als Antiquität.
    Sie saß in einem Schaukelstuhl mit Roßhaarpolsterung, glänzend und fadenscheinig, und zupfte am Stoff der Armlehnen. Sie sah schrecklich aus. Die Haut ihres Gesichts war durch Oli-ves Tod noch bleicher geworden, ihre Wangen waren übersät mit Leberflecken und von sichtbaren Äderchen durchzogen. Es sah aus, als hätte sie in den letzten paar Tagen an Gewicht verloren. Das Fleisch hing ihr in Falten von den Oberarmen, die Knochen traten an die Oberfläche wie eine lebende Lektion in Anatomie. Sogar das Zahnfleisch war von den Zähnen zurückgewichen, der Alterungsprozeß war plötzlich greifbar wie bei einer Zeitrafferaufnahme. Sie schien von einer unbekannten Gemütsbewegung niedergedrückt, die ihre Augen rotunterlaufen und glanzlos machte. Ich glaubte nicht, daß sie das überleben würde, um was immer es sich auch handeln mochte.
    Ich setzte mich auf einen hartlehnigen Stuhl neben sie und fragte leise: »Sie wissen, was hier vorgeht, nicht wahr?«
    »Ich denke, ja. Ich hätte schon früher etwas sagen sollen, aber ich hatte so sehr gehofft, mein Verdacht wäre grundlos und wir hätten die Vergangenheit begraben. Ich dachte, wir hätten es hinter uns, aber das stimmt nicht. Es gibt so viel Schande in der Welt. Warum sollte ich ihr noch mehr hinzufügen?« Ihre Stimme zitterte, und ihre Lippen bebten, als sie sprach. Sie brach ab, kämpfte mit sich. »Ich habe Woody versprochen, nie mehr davon zu sprechen.«
    »Das müssen Sie aber, Helen. Es geht um Menschenleben.«
    Einen Moment lang erwachten ihre dunklen Augen. »Ich weiß«, fuhr sie mich an. Die Energie hielt nicht lange vor, war wie ein Streichholz, das nur kurz aufflackert. »Du tust, was du nur kannst«, fuhr sie fort. »Du versuchst, das Richtige zu tun. Dinge geschehen, und du rettest, was übrig ist.«
    »Niemand macht Ihnen einen Vorwurf.«
    »Doch, ich selbst. Es ist meine Schuld. Ich hätte in dem Augenblick, als es anfing schiefzugehen, sofort etwas sagen müssen. Ich kannte die Zusammenhänge, aber ich wollte es nicht glauben, dumm wie ich bin.«
    »Hat es mit Woody zu tun?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Mit wem dann?«
    »Mit Lance«, flüsterte sie. »Es hat alles mit ihm angefangen.«
    »Mit Lance?« Ich war verblüfft. Das war der letzte Name, den ich zu hören erwartet hatte.
    »Man sollte meinen, die Vergangenheit könnte verwischt werden... hätte nicht die Macht,

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