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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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wir den Wagen in einer Parklücke vor dem Apartmenthaus abstellten. Während wir in den zweiten Stock hinaufstiegen, schlugen mir die Geräusche des häuslichen Lebens entgegen. Wie gewöhnlich standen viele Wohnungstüren offen. Kinder liefen die Galerien entlang, in ein selbsterdachtes Spiel vertieft. Eine Mutter lehnte sich übers Geländer und rief nach einem Kind namens »Eduardo«, das etwa drei zu sein schien. Es protestierte, wahrscheinlich gegen die Demütigung einer so frühen Schlafenszeit.
    Kurz nachdem wir zurückgekommen waren, ging Luis unter Mitnahme des Hundes nach Hause. Er hatte als Baby-Sitter für Bibianna fungiert, damit sie nicht entwischte, sobald Raymond ihr den Rücken drehte. Der Fernseher lief. Es kam gerade eine Kabel-Wiederholung von Leave It to Beaver, der Bibianna halbherzig folgte, während sie wieder einmal eine Patience legte. Niemand schien Lust zu haben, Abendessen zu machen, was verständlich war, weil wir alle einen harten Tag hinter uns hatten und es schließlich kein Honiglecken war, Autos kaputt zu fahren und Leute einzuseifen. Zu Bibiannas depressiver Stimmung kamen noch Menstruationskrämpfe verschärfend hinzu, und sie begab sich mit einer Wärmflasche ins Bett. Raymond zauberte das Telefon aus seinem derzeitigen Versteck hervor und orderte chinesisches Essen. Seine Zuckungen hatten wieder eingesetzt, aber inzwischen irritierte mich das nicht mehr weiter. Der Mann hatte viel schwerwiegendere Probleme als dieses Tourette-Dings, mit dem wahrscheinlich die meisten anderen Leute ganz gut zu leben lernten. Sein Soziopathentum hatte damit allenfalls am Rand zu tun.
    Während wir beide am Küchentisch saßen und darauf warteten, dass unser Essen kam, führte sich Raymond einen Joint zu Gemüte. Ich nahm mir zwei von den halbausgefüllten Versicherungsformularen, die ich die letzten Tage dort hatte liegen sehen. Die Gelegenheit, mich ein bisschen nützlich zu machen, dachte ich. Ich sah vom ersten Formular auf das zweite. »Was ist denn das?«, fragte ich, von einem unwiderstehlichen Kicherzwang gepackt. Ich kann nicht dagegen an — manche Schreibfehler reizen mich einfach zum Lachen. »Schlime Prälungen?« Als ich gerade nach dem dritten Formular griff, schnappte mir Raymond die Blätter aus der Hand.
    »Ach, Raymond, lassen Sie mich doch mal sehen. So können Sie das doch keiner Versicherung schicken. Da steht ja auf beiden Blättern genau das gleiche drauf.« Ich ließ mich nicht abschrecken und zog ein drittes Blatt aus dem Stapel. »Da, sehen Sie, noch mal. Dasselbe Datum, dieselbe Zeit. Glauben Sie denn, die prüfen das nicht nach? Da werden sie bestimmt drüber stolpern. Hier, wieder das gleiche. Wenn Sie diese Burschen die Formulare ausfüllen lassen, dann doch wenigstens mit etwas mehr Fantasie. Lassen Sie sich ein paar unterschiedliche Geschichten einfallen...«
    »Hatte ich gerade vor«, sagte er gereizt.
    »Lassen Sie mich mal. Das macht mir Spaß«, sagte ich.
    Ich dachte zuerst nicht, dass er sich darauf einlassen würde, aber er musterte mein Gesicht, und ich merkte, wie er auf meinen Vorschlag ansprang. Zögernd ließ er das Blatt los, an dem wir beide gezerrt hatten. Ich nahm einen Bleistiftstummel und begann, in Druckschrift die Story eines Autounfalls zu verfassen.
    »Machen Sie’s nicht zu hochgestochen«, sagte Raymond.
    »Keine Angst.«
    Ich erfand freihändig mehrere Varianten zu den Crashs, die ich heute Nachmittag miterlebt hatte. Ich musste mich loben. Darin war ich gut. Ich würde ein Vermögen machen, falls ich mich je ernsthaft dem Verbrechen zuwenden sollte. Raymond schien ebenso zu denken. »Woher wissen Sie das ganze Zeug?«
    »Ich bin ein vielseitig begabter Mensch«, sagte ich, an meiner Bleistiftspitze leckend. »Nicht spicken. Das macht mich ganz nervös. «
    Raymond holte uns je ein kaltes Bier, und wir plauderten, während ich Karambolagen und Blechschäden erfand. Raymond hatte die High School nicht abgeschlossen, während ich volle drei Semester-Junior College geschafft hatte, ehe mir die Puste ausgegangen war.
    »Warum haben Sie’s denn hingeschmissen? Sie sind doch schlau.«
    »Schule hat mir nie gefallen«, sagte ich. »Auf der High School habe ich zu viel gekifft, um gut zu sein. Und auf dem College ging es immer nur um Sachen, die mir keinen Spaß gemacht haben. Ich war damals einfach zu rebellisch. Und außerdem war ich auch gar nicht scharf auf irgendeine Karriere. Ich habe nicht eingesehen, warum ich Sachen lernen sollte, die ich

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