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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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rührte sich. Es schien eine jener Situationen, in denen jedes Einschreiten das Leben des Opfers nur noch mehr gefährdet.
    Bibianna flüsterte: »O Gott...« Sie stand auf, ging zu Raymond hin, kniete sich neben ihn und flüsterte ihm ins Ohr. Ich sah, wie er um Kontrolle rang. Er stieß einen Laut aus, der fast wie ein gepresstes Schluchzen klang, eine Art Schrei tief in der Kehle. Bibianna berührte seine Hand und sprach ernst auf ihn ein: »Nicht, Raymond. Ich flehe dich an. Lass ihn. Er hat es nicht so gemeint. Du tust ihm weh. Bitte...«
    Er hob das Messer. Bibianna zog es ihm vorsichtig aus der Hand, während sein Opfer sich mit blutüberströmtem Gesicht wegrollte. Raymond schien zu husten, und sein Zorn verlagerte sich von Tomas auf Bibianna. Er packte sie an den Armen, zerrte sie hoch und stieß sie so heftig gegen die Wand, dass ihr Kopf ein Stückchen Putz losschlug. Er fixierte sie aus drei Zentimetern Entfernung, und das mir mittlerweile so vertraute Zucken hatte jetzt die Hälfte seiner Gesichtsmuskeln erfasst. Seine Augen kippten nach oben weg, sodass er sie aus den milchig-weißen Schlitzen anzustarren schien. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. »Ich bring dich um, wenn du mir noch mal dazwischenfunkst. Hast du verstanden?«
    Bibianna nickte panisch. »Ich tu’s nie wieder. Es tut mir Leid. Ich wollte nicht...«
    Er trat zurück. Das rituelle Husten und Bellen begann, und ich sah ihn mit dem Kopf rucken und die Schulter rollen. Luis hatte sich ein Küchenhandtuch gegriffen und presste es auf den Schnitt in Tomas’ Backe. Es war sofort durchgeweicht. Zwei von den anderen Burschen kamen ihm zu Hilfe, und sie brachten Tomas zur Tür hinaus. Die Wohnung leerte sich blitzartig. Mein Herz hämmerte. Bibianna saß kreideweiß auf dem Sofa. Sie klappte vornüber, kurz vor einer Ohnmacht. Ich ging hin, setzte mich neben sie, tätschelte sie und sprach ihr und mir beruhigend zu. Gleich darauf kam Luis wieder herein. Ich reimte mir zusammen, dass wohl irgendjemand Tomas in die Ambulanz brachte. Raymond schien sich mittlerweile wieder einigermaßen unter Kontrolle zu haben. Bibianna fasste sich und wandte sich mit zitternden Händen wieder ihren Karten zu. Luis wischte das Blut vom Küchenfußboden auf. Wir wussten alle genau, dass es darum ging, die letzten kritischen Momente zu überstehen. Um jede weitere Aufregung zu vermeiden, taten wir, als wäre nichts gewesen, was ein Verschwörer-Gefühl erzeugte. Es fiel kein Wort über Tomas oder den Auslöser für Raymonds Wutanfall.
    Raymond ging auf und ab und schnippte unruhig mit den Fingern. Er sagte zu Bibianna: »Hey, hol deine Jacke. Wir gehen raus. Sie auch, Hannah.«
    Ich holte meine Jacke. Teufel noch mal, ich wollte mich nicht mit diesem Mann anlegen.
    Diesmal nahmen Raymond und ich den Ford, während Luis uns im Cadillac folgte, Bibianna neben ihm auf dem Beifahrersitz. Ich drehte mich um und beobachtete durchs Rückfenster den Caddy, der uns stetig folgte. Luis und Bibianna waren nur dunkle Silhouetten. »Wieso fährt sie bei diesen Touren immer mit ihm?«
    »Weil wir uns streiten«, sagte er.
    Ich musterte ihn voller Interesse. Er wirkte locker, offen und ruhig. Allmählich begriff ich, dass er nach jedem seiner »Anfälle« für kurze Zeit ganz freundlich war, so als ob ihn der Ausbruch erleichtert hätte. Für ein kurzes Intermezzo wurde er absolut umgänglich, ja, fast schon nett. Er sah gar nicht so übel aus. Er würde sicher eine Frau finden können, die ihn mochte, wenn er nur nicht so auf Bibianna fixiert wäre.
    Er fing meinen Blick auf. »Was gibt’s denn da zu gucken?« Seine Worte waren unwirsch, aber sein Ton war milde.
    »Ich hab’ mich nur gefragt, warum Sie eigentlich so versessen auf Bibianna sind. Wieso wollen Sie sie denn unbedingt heiraten, wenn sie doch eindeutig nicht scharf drauf ist?« Ich hielt den Atem an, aber er schien nicht verärgert.
    »Ich lass’ mich von ihr nicht verarschen. Wenn einer meint, dass er mich für dumm verkaufen kann, dann muss er lernen, dass das nicht läuft. Sie hat noch nicht kapiert, was Sache ist.«
    »Was denn? Sie ist doch wieder da. Was wollen Sie denn noch?«
    »Ich muss dafür sorgen, dass sie dableibt.«
    »Und wie wollen Sie das tun?«
    »Ich hab’s schon getan«, sagte er. »Sie weiß es nur noch nicht.«

19

    Für diesen Nachmittag bestand das Programm der Südkalifornischen Akademie für Auto-Versicherungsbetrugswesen in einem Crash-Kurs zum Thema »Prescher und Prellbock« —

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