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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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vor?
    Sobald er weg war, zog ich die Schlüssel ab. Ich stieg aus, ging ans Heck des Wagens und öffnete den Kofferraum. Er war leer, bis auf das Reserverad und den Wagenheber. Mist. Ich schlüpfte auf meinen Sitz zurück und steckte die Schlüssel wieder ins Zündschloss. Dann beugte ich mich hinüber, um die Seitentasche in der Fahrertür zu inspizieren, aber ich fand nichts weiter als einen zerschlissenen Stadtplan von Los Angeles und ein paar Rabatt-Coupons einer lokalen Pizza-Kette. Die Tasche auf meiner Seite war leer. Das wusste ich schon, weil ich unterwegs dezent nachgesehen hatte. Ich klappte das Handschuhfach auf, das voller Krempel war. Ich kramte mich durch das Sammelsurium aus alten Tankquittungen, kaputten Kugelschreibern, diversen Zulassungen, der Wartungs- und Betriebsanleitung, Werkstattzetteln des Mechanikers, der die regelmäßige Inspektion vornahm. Darin war Raymond gewissenhaft, das musste ich ihm lassen. In Dreißig-Sekunden-Intervallen kontrollierte ich den Türbereich, wo er verschwunden war. Ich ging davon aus, dass er mit dem Fahrstuhl nach oben in eine der Büroetagen gefahren war. Ich sah den Papierhaufen auf meinem Schoß genauer durch und entdeckte Lappen, einen Flaschenöffner, einen hitzegeschädigten Schokoriegel und ein in Folie eingeschweißtes Kondom. Hatten die Leute früher wirklich Handschuhe in ihren Handschuhfächern liegen? Inzwischen konkurriert dieses Plätzchen mit dem Kühlschrank als Deponie für allen möglichen organischen und anorganischen Müll — Indikator eines Reinlichkeitsniveaus, das man besser nicht mal seinen Freunden offenbart. Ich packte den ganzen Kram in das Fach zurück und gab mir Mühe, nicht zu viel Ordnung walten zu lassen. Frust. Ich hatte gehofft, auf irgendetwas zu stoßen. Aber man kann nicht damit rechnen, bei solchen Schnüffelaktionen jedes Mal fündig zu werden. Heimliche Durchsuchungen bringen vielleicht in vier von zehn Fällen tatsächlich etwas. Ansonsten befriedigen sie lediglich die menschliche Neugier.
    Als ich das Klacken von Raymonds Absätzen nahen hörte, war alles wieder an seinem Platz, und ich toupierte mein Haar im Rückspiegel, den ich zu mir gedreht hatte. Dieses »Hannah Moore«-Dasein zeitigte sichtbare Effekte. Meine »Frisur« bestand jetzt aus ein paar affenscharfen Haarstacheln auf dem Oberkopf. Ich sah aus wie eine Punk-Lady, und ich muss zugeben, es machte mir Spaß. Als nächstes würde ich mir Ohrlöcher stechen lassen und in der Öffentlichkeit Kaugummi kauen, Vulgaritäten, vor denen meine Tante mich immer gewarnt hatte, genau wie vor rotem Nagellack und schmuddligen BH-Trägern.
    Raymond öffnete die Autotür und warf das Parkticket aufs Armaturenbrett, um sich aus seiner Jacke zu schälen und diese auf dem Rücksitz zu verstauen. Ich nahm das Ticket und war so nett, es für ihn zu halten, wobei ich diesen Anfall von Klein-Mädchen-Artigkeit benutzte, um beiläufig auf den Papierstreifen zu gucken. Auf der Rückseite befand sich statt einer Berechtigungsmarke der Stempel einer Firma Gotlieb, Naples, Hurley und Flushing. Anwälte? Steuerberater? Raymond schnappte mir das Ticket aus der Hand und klemmte es sich zwischen die Zähne, während er den Motor anließ und ausparkte. Was war denn nun schon wieder? Mein Gott, dieser Mann traute mir aber auch kein bisschen. Während wir aus der Garage herausfuhren, sagte ich mir innerlich den Firmennamen wie ein Mantra vor, bis ich ihn mir eingeprägt hatte. Ich würde Dolan daraufansetzen, falls ich ihn je erreichen konnte.
    Wir fuhren heimwärts, mitten durch den Feierabend-Verkehr: sechs Spuren gerammelt voll mit Managertypen und anderen leitenden Ärschen. Ich war kribbelig und angespannt, aber Raymond schien das alles nichts auszumachen. Äußerer Stress setzte ihm längst nicht so zu wie emotionale Aufregungen. Er stellte klassische Musik im Radio ein und drehte sie auf volle Pulle, sodass die Leute in den Autos rechts und links von uns in den Genuss einer Sonate kamen, die fast nur aus falschen Tönen zu bestehen schien. Die Gegend um dieses Stück des Freeway 405 war flach, ein Gewucher von Asphalt und Beton, eine Fabrik an der anderen, aufgelockert durch Öltürme, Stromleitungen und Industrieanlagen unersichtlicher Bestimmung. In der Ferne erhob sich ein unregelmäßiger Staketenzaun aus Schloten schwarz vor dem Horizont, der jetzt aus einem Streifen gespenstisch grün-oranger Sonnenuntergangsbeleuchtung bestand.
    Es war schon nach sieben und völlig dunkel, als

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