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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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jener Methode, die mir Dolan und Santos bei unserem kleinen Knast-Kaffeeklatsch bereits in groben Zügen umrissen hatten. Wir fuhren rauf nach West-Los Angeles, an den Rand von Bel Air, und auf dem Sunset Boulevard vom Sepulveda bis zum Beverly Gien Boulevard. Es herrschte dickster Nachmittagsverkehr, und die Leute, die diese Strecke kannten, schienen mit geschlossenen Augen zu fahren. Sie wechselten ohne zu blinken die Spur und überschritten die Geschwindigkeitsbegrenzung um dreißig oder vierzig Meilen.
    Sobald wir uns ein Opfer ausgeguckt hatten, war es an Raymond und mir, uns mit dem »Prellbock« davorzusetzen, während Luis und Bibianna an uns vorbeipreschten. Luis scherte plötzlich vor uns ein. Raymond stieg in die Bremsen, und das arme Opfer hinter uns, das gar nicht so schnell schalten konnte, brummte uns voll hintendrauf. Luis zischte davon, während wir und das Opfer an den Rand fuhren, alle gleichermaßen fassungslos und empört. Es bestand keine Gefahr, dass das Opfer die Polizei rief, denn es wusste so gut wie wir, dass die Stadtpolizei von Los Angeles wegen eines Unfalls nicht kam, wenn es keine Verletzten gab. Es war uns überlassen, unsere Adressen und Telefonnummern und die Namen unserer jeweiligen Versicherungen auszutauschen. Sobald wir dann losgefahren und wieder zu Luis und Bibianna gestoßen waren, suchten wir uns das nächste Opfer. Wir spielten das Ganze viermal durch, und Raymond versicherte mir, dass wir bestimmt schon dreizehntausend Dollar eingefahren hatten.
    Was mich beunruhigte — außer dem Stress, den ich meinem Hals zumutete — , war die eigenartige Wandlung meiner inneren Einstellung. Diese Einfaltspinsel, dachte ich. Jeder kriegt, was er verdient. Ich glaubte allmählich auch schon, dass das Opfer selbst schuld hatte, wenn es so dumm und leichtgläubig war und nicht merkte, was gespielt wurde, und unser beruhigendes Gerede für bare Münze nahm. Mich packte jenes heimliche Überlegenheitsgefühl, das wohl jeder gewiefte Betrüger empfindet, wenn er den Köder ausgeworfen hat und das Opfer anbeißt. Ich musste mich regelrecht zur Ordnung rufen, obwohl ich eigentlich denke, dass es nichts schadet, wenn wir ab und zu daran erinnert werden, dass wir alle keine Engel sind. Am unheimlichsten sind mir die selbstgerechten Moralapostel.
    Wir machten um fünf Schluss, nach einer kurzen Konferenz in einem kleinen Park, wo wir zu diesem Zweck angehalten hatten. Mehrere Nannies in Arbeitstracht tratschten miteinander, während die ihrer Obhut anvertrauten Kleinkinder auf dem Spielplatz herumtollten. Bibianna setzte sich neben mich auf den Rasen und streifte ihre Schuhe ab. Wir guckten vor uns hin, während Luis und Raymond in der schwindenden Sonne lagen und all die aufregenden Momente dieses Nachmittags noch einmal durchlebten. Es war, wie wenn Männer übers Golfen oder über einen Jagdausflug reden: mit verblüffender Akribie wurde jede Einzelheit wiedergekäut. Dann debattierten wir kurz, ob wir noch einen letzten kleinen Unfall drauflegen sollten, aber niemand hatte mehr große Lust dazu. Ich wollte weiter nichts als ein paar Aspirin und einen weiteren Besuch bei Dr. Howard, damit er meinen Hals wieder in Ordnung brachte.
    Raymond meinte, er hätte noch etwas zu erledigen. Wir stiegen wieder ins Auto. Luis und Bibianna setzten sich mit dem Caddy ab, während Raymond in den Beverly Drive einbog und ins Zentrum des Geschäftsviertels von Beverly Hills steuerte. Zwei Blocks weiter bog er rechts ab, auf den Little Santa Monica Boulevard, der parallel zu seinem großen Namensvetter verläuft. Kurz vor dem Wilshire Boulevard bremste er ab, um einen Parkplatz zu suchen. Die Parkuhren waren alle besetzt. Sichtlich ungeduldig bog er in die Einfahrt einer Tiefgarage, die zu einem zwanzigstöckigen Bürohaus gehörte. Wir hielten an dem Parkschein-Automaten, der summte, einmal klackte und das Ticket ausspuckte. Die elektronische Schranke hob sich, und Raymond fuhr gleich in die nächste Parkbox, die eindeutig als Behindertenparkplatz ausgewiesen war. Er ließ die Schlüssel im Zündschloss stecken und öffnete seine Tür.
    »Warten Sie hier. Wenn jemand was sagt, fahren Sie woanders hin. Ich bin gleich wieder da.«
    Ein vertikaler Hinweispfeil an der Wand zeigte an, dass sich die Aufzüge hinter der gläsernen Doppeltür befanden. Dorthin strebte er jetzt. Seine Absätze klickten über den Asphalt, und das Geräusch hallte von der Zufahrtsrampe gleich links von mir wider. Was hatte er

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