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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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welcher Mischung aus Erheiterung und Mitleid ich reagierte, als ich begriff, dass alle Jungen mit so einem Ding geschlagen waren, das aussah wie ein irrtümlich zwischen die Beine geratener Daumen. Schließlich erklärte Jimmys Pflegemutter, dass sie nicht mehr mit ihm fertig würde, und er kam an irgendeinen Ort, wohin man damals unerwünschte Halbwüchsige abschob. Vermutlich ins Erziehungsheim.
    Ich hatte ihn acht Jahre nicht gesehen, als er zu meinem Erstaunen an meinem ersten Tag an der Polizeischule ebenfalls dort anrückte. Inzwischen schwang in seiner Raubeinigkeit etwas Manisches. Er war ein hübscher Bursche, trank viel und war immer auf Achse. Wie er es geschafft hat, an der Polizeischule angenommen zu werden, ist mir ein Rätsel. Die Bewerber werden einer strengen psychologischen Begutachtung unterzogen, bei der die ungeeigneten und die instabilen normalerweise sehr schnell durchs Sieb fallen. Entweder war er den listigen Fragen der Kommission geschickt entschlüpft, oder aber er gehörte zu den seltenen Menschen, deren Persönlichkeitsschwächen in Prüfungssituationen nicht zu Tage treten. Seine Noten waren meistens hart an der Grenze, aber er versäumte nie den Unterricht, und seine Kämpfernatur, die durch Konkurrenz angespornt wurde, hielt ihn bei der Stange. Er war klug genug, seine Hitzigkeit zu drosseln, wenn es darauf ankam, konnte sich aber nie lange im Zaum halten. Irgendwie schaffte er es, zusammen mit uns übrigen die Abschlussprüfung zu bestehen, aber er schrammte ständig auf irgendeine Weise hart an der Katastrophe entlang. Ich hielt mich ihm gegenüber auf Distanz, da ich damals zu sehr auf mein eigenes Fortkommen erpicht war, um zu riskieren, dass sein Ruf auf mich abfärbte.
    Er bewarb sich genau wie ich bei der Stadtpolizei von Santa Teresa, wurde jedoch nicht angenommen. Ich verlor ihn eine Zeit lang aus den Augen und hörte dann, dass er beim County Sheriff’s Department von Los Angeles gelandet war. Portionsweise drang die Kunde von seinen Heldenstückchen bis zu uns. Nach Feierabend in der Kneipe erzählten sich die Kollegen von den verrückten Dingen, die Jimmy Tate fertig gebracht hatte. Er war die Sorte Polizist, die man am liebsten bei sich haben wollte, wenn es brenzlig wurde. Wenn es hart auf hart ging, war er absolut furchtlos, als könnte er die Gefahr einfach ausblenden. Bei jedem Wettpissen mit der Unterwelt war er vornean. Seine Aggressivität schien rings um ihn herum ein Kraftfeld zu erzeugen, eine Art Schutzschild. Kollegen hatten mir erzählt, wenn man ihn bei einer Schießerei erlebte, würde einem klar, dass er auf seine Weise genauso gefährlich war wie »die anderen« — die Bankräuber, die Dealer, die Gangs, die Heckenschützen und anderen Irren, die es auf uns Ordnungshüter abgesehen hatten. Leider schoss seine wilde Aggressivität mehr als einmal übers Ziel hinaus. Ich bekam aus Andeutungen mit, dass er Sachen machte, über die man hinterher nicht sprach — weil er einem das Leben gerettet hatte und man in seiner Schuld stand und deshalb so tat, als hätte man nichts gesehen. Schließlich wurde er einer Spezialeinheit zugeteilt, die eigens geschaffen worden war, um die Aktivitäten notorischer Krimineller zu überwachen. Sechs Monate später wurde die Einheit nach einer Reihe fragwürdiger Schießereien aufgelöst. Zwölf Beamte wurden suspendiert, darunter auch Jimmy Tate. Alle durften nach Überprüfung der Vorkommnisse durch den Polizeiausschuss ihren Dienst wieder aufnehmen, aber der große Knall schien nur eine Frage der Zeit.
    Vor zwei Jahren war ich dann zufällig in der L. A. Times auf seinen Namen gestoßen. Er war bei seiner Wiedereinstellung einer Drogen-Einheit zugeteilt worden, und man bezichtigte ihn jetzt, zusammen mit sechs anderen Beamten, Drogen-Gelder in die eigene Tasche abgezweigt zu haben, ein Skandal, der die ganze Kreispolizei erschütterte. Die ersten Verhöre brachten jeden Tag neue Einzelheiten ans Licht. Fünf der sechs Polizisten kamen vor Gericht, und einer von ihnen jagte sich eine Kugel in den Kopf. Ich bekam durch meine sporadische Lektüre der L. A. Times einiges über den Fortgang des Prozesses mit, erfuhr aber nie, wie er ausgegangen war. Es hätte mich nicht überrascht, wenn sie ihn verurteilt hätten. Er war skrupellos und selbstzerstörerisch, aber so seltsam es klingen mag, ich wusste, wenn ich einen Bruder hätte, würde ich wollen, dass er genauso wäre wie Jimmy. Ich meinte damit nicht sein Verhalten und nicht

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