Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
lange Bar, belagert von einem dreifachen Kordon von Typen, die aussahen wie den Fahndungsplakaten im Postamt entsprungen. Es roch nach Bier und Zigarettenqualm, und gelegentlich wehte durch den Seitenausgang eine Dope-Wolke herein. Die gesamte Beleuchtung war blau. Es spielte eine Live-Band, bestehend aus fünf Knaben, die wie eine Halbstarkenclique wirkten und sich anhörten, als sollten sie lieber in irgendjemandes Garage üben. Die Musik war ein direkt auf den Unterleib abzielendes Inferno aus wummernden Bässen, vibrierendem Synthesizer, immer gleichen Akkorden und Texten, die sich als obszön entpuppten, wenn es einem gelang, die Worte aus dem ohrenbetäubenden elektronischen Gejaule herauszuhören. Die Tanzfläche bestand aus einem transportablen Holzpodest von vielleicht sieben Metern Seitenlänge, auf dem sich zuckende Körper mit schweißgebadeten Gesichtern drängten.
Dieses Lokal war eins der Reviere der C-Klassen-Singles. Hier gab es keine Yuppies, keine höheren Töchter, keine Geschäftsleute auf der Suche nach einem originellen Ambiente, keine milchgesichtigen College-Knaben. Das hier war ein Aufreiß-Schuppen für Leder-Typen und Billig-Nutten, die es für eine warme Mahlzeit mit jedem trieben. Schlägereien und Messerstechereien gehörten zum Normalbetrieb, und die uniformierten Streifenpolizisten patrouillierten so oft durch das Gedränge, dass sie schon als Stammgäste behandelt wurden. Den unerträglichen Lärmpegel interpunktierte immer wieder ein lautet Wumm! gefolgt von lautem Gelächter. Die Bar war berühmt für eine Spezialität namens »Slammer«: Tequila mit 7-Up in einem altmodischen Glas. Der Drink wurde unter einer ausgebreiteten Stoffserviette serviert, die dann mit Wucht auf das hölzerne Tablett geklatscht wurde. Durch den Schlag verquirlten sich der Tequila und das 7-Up zu einem hochprozentigen Gemisch, das der Gast in einem Zug hinunterzukippen hatte. In der Regel lag die Kapazitätsgrenze bei zwei Slammern pro Nase. Danach mussten die meisten Frauen zum Auto geschleppt werden. Männer überkam nach dreien der Drang, Stühle zu zerschmettern oder Glasscheiben einzuschlagen.
Während ich mir zentimeterweise und unter ständigem »Pardon«, »Entschuldigung« und »Oh, tut mir Leid« meinen Weg auf die andere Seite der Bar bahnte, spürte ich immer wieder eine anonyme Hand auf meinem Hinterteil. Ich fand schließlich ein freies Plätzchen und okkupierte es vorläufig, indem ich mich gegen die Wand lehnte wie alle anderen auch. Ich orderte ein Bier bei einer vorbeikommenden Bar-Maid, die in einen exakt in die Popo-Falte geschmiegten neonorangefarbenen Body gewandet war. Ihre Hinterbacken quollen heraus wie wassergefüllte Ballons. Einen Sitzplatz gab es nicht, also blieb ich stehen, wo ich stand, gegen einen Metallträger gekeilt, und musterte das Gedränge.
Ich sichtete Bibianna auf der Tanzfläche, wo sie mit bemerkenswerter Ausdauer und Anmut zu dem stampfenden Einheiz-Gedudel ihre Hüften kreisen ließ. Die Augen der Männer um sie herum folgten jedem Beben, jedem Zucken. Das blaue Licht und der Olivton ihrer Haut verbanden sich zu einem überirdischen Strahlen, das das glatte Oval ihres Gesichts über den prallen Brüsten in dem tiefen Ausschnitt ihres Trikotkleids schmeichelhaft zur Geltung brachte. Ihr Kleid, das jetzt mehr lila als rot zu schimmern schien, umspannte eng den flachen Bauch, die schmalen Hüften und schlanken Schenkel. Als der Song zu Ende war, verließ sie, das dunkle Haar in den Nacken werfend, ohne einen Blick zurück die Tanzfläche. Ihr sichtlich außer Atem geratener Partner sah ihr bewundernd nach.
Sie machte sich jetzt daran, eine Runde durch das Lokal zu drehen. Sie war hier offensichtlich wohlbekannt und blieb immer wieder stehen, um mit irgendwelchen Männern lachend ein paar Worte zu wechseln. Als ich mir ausrechnete, dass sie gleich an mir vorüberkommen musste, postierte ich mich möglichst auffällig, während ich so tat, als hätte ich sie gar nicht bemerkt. Vergeblich. Ehe sie mich erreicht hatte, schwenkte sie ab, und ich sah sie auf die Toiletten zustreben. Ich drängelte mich, unwirsche Reaktionen provozierend, ebenfalls dorthin.
Als ich bei der Damentoilette anlangte, war Bibianna bereits in einer der Kabinen verschwunden. Ich stellte mich vor den Spiegel und machte mir an meiner Puschelfrisur zu schaffen, bis die Spülung ging und Bibianna herauskam. Sie trat an das Waschbecken neben meinem und betrachtete mich abwesend im Spiegel. Ich
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