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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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kreideweiß. Ich kauerte mich neben sie und legte eine Hand auf die eisige Haut ihres Arms. »Sind Sie okay?«
    Sie schüttelte den Kopf, in einer Mischung aus Angst und Resignation. »Ich kann mich einsargen lassen. Ich bin so gut wie tot. Das ist alles meine Schuld. Ich werde dafür büßen müssen.« Ihr Blick irrte zu der Straßenecke hinüber, wo sich jetzt noch mehr Leute versammelt hatten. Tränen stiegen ihr in die Augen, weniger aus Trauer als aus Verzweiflung.
    Ich schüttelte sie leicht am Arm. »Wer ist das?«
    »Das ist Chago. Der Bruder von dem Mann, mit dem ich zusammen war, bevor ich hierhergekommen bin. Er hat gesagt, Raymond hat ihn geschickt, damit er mich zurückbringt.«
    »Quatsch. Die wollten Sie nirgends hinbringen. Die wollten Sie umbringen.«
    »Ich wollt’, ich hätt’s hinter mir. Raymond bringt mich sowieso um, wegen Chago. So eine Art Blutrache. Mein Leben ist futsch.«
    »Aber ich dachte, Jimmy hat ihn erschossen. Wieso ist es dann Ihre Schuld?«
    »Was macht das schon aus? Das kümmert doch Raymond nicht. Ich bin schuld, weil ich weggegangen bin. Ich bin schuld, dass er Chago herschicken musste. Ich bin schuld, dass der Wagen hin ist. So sieht er die Sache.«
    »Die Blonde war wohl Chagos Freundin?«, fragte ich.
    »Seine Frau. Sie heißt Dawna. D-a-w-n-a. Schick, was? Scheiße noch mal, sie bringt mich eigenhändig um, wenn Raymond es nicht vorher tut.«
    Jimmy Tate kam jetzt zu uns herüber und legte Bibianna die Hand auf den Nacken. »He, Kleines. Alles in Ordnung?«
    Sie nahm seine Hand und presste sie gegen ihre Wange. » O Gott... ich hab’ solche Angst um dich gehabt.«
    Er zog sie auf die Füße, schloss sie in die Arme und murmelte irgendwas Beruhigendes in ihr Haar.
    »O Gott, was soll ich nur machen?«
    Ein Krankenwagen kam um die Ecke gerast. Die Sirene brach jäh ab, aber das orangerote Warnlicht blinkte weiter. Zwei Sanitäter sprangen heraus, einer mit einem Erste-Hilfe-Koffer. Ich richtete mich auf und beobachtete über die Kühlerhaube des Ford hinweg, wie die beiden zu dem Mann hinüberrannten, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Gehweg lag. Seine Kriechflucht war abrupt beendet worden. Ich bemerkte, dass er eine lange Schmierspur aus Blut hinter sich zurückgelassen hatte, wie die Schleimspur einer Schnecke. Die Frau, die neben ihm kniete, weinte haltlos. Ich war mir sicher, dass sie ihn nicht gekannt hatte und dass sie weiter nichts mit ihm verband als die Laune des Schicksals, die sie gerade in diesem Moment hier vorbeigeführt hatte. Ihre beiden Begleiter redeten ihr gut zu, aber sie weigerte sich, den Mann loszulassen.
    Einer der Sanitäter kniete sich hin und tastete an der Halsschlagader des Mannes nach einem eventuell noch vorhandenen Puls. Er und sein Kollege wechselten einen jener Blicke, die in Fernsehszenen sechs Dialogzeilen ersetzen. Zwei Polizeiwagen kamen mit quietschenden Reifen um die Ecke gekarrt und hielten hinter dem Krankenwagen. Ein uniformierter Polizist stieg aus dem ersten Wagen, und Jimmy Tate ging zu ihm hinüber. Der Beamte im zweiten Wagen entpuppte sich als Frau. Sie war groß und kräftig und hatte das hellblonde Haar stramm zu einem ordentlichen kleinen Knoten zurückgezurrt. Sie hatte keine Mütze und trug dunkle Diensthosen und eine dunkle Jacke mit dem Abzeichen der Stadtpolizei von Santa Teresa auf den Ärmeln. Sie ging zu den Sanitätern hinüber und unterhielt sich kurz mit ihnen. Ich bemerkte, dass niemand irgendwelche Notfallmaßnahmen einleitete, was darauf hindeutete, dass der Typ im karierten Sakko bereits aus diesem Leben geschieden war. Die Polizistin ging zu ihrem Streifenwagen zurück und forderte über Funk an, was anzufordern war: den Gerichtsmediziner, die Spurensicherung und Verstärkung nach Code 2 — ohne Sirene. Sie brauchte Hilfe bei der Sicherung des Tatorts. Der Regen hatte wieder eingesetzt, ein feiner, weicher Nässeschleier in der Nachtluft. Die Umstehenden waren verschreckt und still, und niemand machte Anstalten, sich irgendwie einzumischen, aber man musste jetzt anfangen, die Zeugen zu vernehmen und Namen und Adressen fest zu halten, bevor die Leute unruhig wurden und sich davonmachten.
    Bibianna kauerte sich wieder auf dem Rücksitz des Ford zusammen. Lange Minuten vergingen. Sie war in Schweigen versunken, aber als der erste Wagen mit Verstärkung eintraf, regte sie sich. Sie warf einen finsteren Blick zu den beiden Beamten hinüber, die dem schwarz-weißen Gefährt entstiegen. »Ich will mit

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