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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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nicht, meine Kabine zu verlassen, bevor sie nicht draußen war, weil ich fürchtete, sie könnte mich wiedererkennen. Dann hörte ich ihre Pfennigabsätze über den Fliesenboden klacken. Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat ich heraus. Ich ging rasch zur Tür und steckte vorsichtig den Kopf hinaus. Da war sie, an einem der Münztelefone, gerade dabei, eine größere Zahl von Münzen einzuwerfen. Sie drehte sich zur Wand hin, als wollte sie sichergehen, dass sie nicht belauscht wurde. Es war die Frau, die sich als Karen Hedgepath ausgegeben hatte: stachlige, blonde Punkfrisur, strenges Bürokostüm. Sie kehrte mir ihr Profil zu und hielt sich mit der rechten Hand das Ohr zu, um sich gegen den Krach aus dem Restaurant abzuschirmen. Aus der Veränderung ihrer Haltung schloss ich, dass am anderen Ende jemand abgenommen hatte. Sie begann, schnell zu sprechen und dabei mit der freien Hand zu gestikulieren. Ich drehte ihr rasch den Rücken zu und eilte ins Restaurant zurück, während sie noch telefonierte. Ein kurzer prüfender Blick bestätigte mir, dass auch der bullige Typ mit dem karierten Sakko anwesend war. Er saß mit dem Rücken zu mir an einem Zweiertisch an der einen Längswand, aber ich erkannte ihn an seinem Jackett und an den Schultern. Er rauchte eine Zigarette, und vor ihm auf dem Tisch konnte ich eine Flasche Rotwein ausmachen.
    Unsere Plätze waren so verteilt, dass ich mit dem Gesicht in Richtung Toiletten und mit dem Rücken zum Eingang saß, Bibianna rechts neben mir und Jimmy Tate mir gegenüber. Ich dämpfte meine Stimme und hielt ein wachsames Auge auf die Sturmläden-Tür, für den Fall, dass die Blonde plötzlich auftauchte. Bibianna bemerkte meine Gespanntheit und sah mich neugierig an. Ich hielt ihr die Speisekarte hin und sagte: »Beobachten Sie ganz unauffällig die Tür zu den Toiletten. Dort wird gleich eine blonde Frau herauskommen. Stellen Sie fest, ob Sie sie kennen, aber passen Sie auf, dass sie nichts merkt. Klar?«
    »Warum? Was ist denn?«, fragte Bibianna.
    »Ich habe sie telefonieren hören, draußen vor dem Klo, und sie hat von Ihnen gesprochen.«
    »Von mir?«
    Jimmy beugte sich vor. »Was soll das?«
    Die Blonde trat durch die Sturmläden-Tür. Ihr Blick blieb kurz an unserem Tisch hängen und wanderte dann weiter. »Nicht den Kopf drehen«, flüsterte ich, ohne die Lippen zu bewegen.
    Bibiannas Augen huschten zu der Frau hinüber. Sie beherrschte sich, aber ich sah, wie das Leben aus ihrem Gesicht wich. »Verdammter Mist. Ich muss hier raus«, sagte sie.
    Ich hielt ihr eine geöffnete Speisekarte hin und zeigte mit dem Finger auf den obersten Posten unter der Rubrik Nachspeisen, die obligatorische Limonentorte. Im Plauderton sagte ich: »Nehmen Sie Ihre Handtasche und tun Sie so, als wollten Sie zum Klo. Verschwinden Sie durch die Tür am Ende des Gangs und warten Sie dort, wo die kleine Gasse hinter dem Restaurant auf die Straße stößt. Einer von uns wird Sie dort abholen. Lassen Sie Ihre Jacke über dem Stuhl hängen. Es muss so aussehen, als kämen Sie gleich wieder. Okay?«
    Jimmys Blick schwenkte von Bibianna zu mir. »Was geht hier vor?«
    Bibianna stand auf und angelte nach ihrer Handtasche. Zu spät. Die beiden kamen schon auf uns zu. Die blonde Frau legte mir eine kräftige Hand auf die Schulter und nagelte mich auf meinem Stuhl fest. Der Typ presste Bibianna eine 45er Browning in den Rücken wie ein Orthopäde, der die Wirbelsäule nach einer verrutschten Bandscheibe sondiert. Ich sah, wie Jimmy nach seiner 38er greifen wollte, aber der Typ schüttelte den Kopf. »Ich kann Sie auch umlegen, wenn’s Probleme gibt. Ihre Sache.«
    Jimmy legte beide Hände flach auf den Tisch.
    Bibianna raffte ihre Jacke und ihre Handtasche an sich. Jimmy und ich sahen hilflos zu, wie die drei sich in Richtung Hintertür entfernten. Jimmys Reflexe in solchen Situationen waren besser als meine. In der Sekunde, als sie verschwunden waren, schoss er wie der Blitz zum Vorderausgang, verfolgt von den irritierten Blicken der Gäste, die er unterwegs angerempelt hatte. Er hatte keine Zeit für Höflichkeiten. Die Vordertür flog mit einem Rumms nach draußen auf, und weg war er. Ich warf ein paar Scheine auf den Tisch und stürzte hinter ihm her.
    Als ich draußen ankam, rannte er schon mit fliegenden Ellbogen und gezückter Pistole auf die Ecke zu. Die Straßen waren feucht, die Luft nieselig. Ich lief hinter ihm her, mitten durch eine Pfütze. Ich hörte Reifenquietschen

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