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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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seltsame Geste als Zärtlichkeit getarnter Aggression.
    Er reagierte auf meinen Blick, der kurz das Heftpflaster gestreift hatte und rasch wieder abgeschwenkt war. »Der Bluttest. Wir heiraten, sobald die Genehmigung da ist. Das geht höchstens drei Tage.«
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich piepsig. »Das ist ja wirklich toll.«
    Luis streckte die Hand aus, und er und Raymond absolvierten ein Ritual aus klatschenden Handschlägen, das wohl unter Eingeweihten eine Freudenbekundung darstellte. Bibianna war so vom Glück überwältigt, dass sie das Zimmer verlassen musste, was dem stets wachsamen Raymond natürlich nicht entging. Ich sah, wie das Zucken sich verstärkte, sein Mund sich öffnete, der Hals zurückschnellte.
    Luis schleppte rasch ein paar Flaschen Bier an, vorgeblich um zu feiern, aber wahrscheinlich hoffte er, Raymonds Anfall auf diese Weise im Ansatz kupieren zu können. »Holen Sie sie her. Luis soll uns Sekt holen. Wir wollen anstoßen.«
    »Sofort«, murmelte ich, schon auf dem Weg ins Schlafzimmer. Bibianna hockte auf der Bettkante, das Gesicht in den Händen vergraben.
    Ich setzte mich neben sie und sah sie wortlos an. Was sollte ich sagen? Sie war mit Jimmy Tate verheiratet. Sie konnte nicht auch noch Raymonds Frau werden. Schließlich fragte ich: »Was willst du jetzt machen?« Sie sah mich aus leeren Augen an. »Ihn umbringen. Oder mich.« Sie griff nach meiner Hand und drückte sie.
    »Ich steh dir bei«, sagte ich.
    »Ich weiß«, sagte sie.

18

    Luis parkte den Ford auf einem kleinen, verlotterten Parkplatz gleich bei einem ebenerdigen Einkaufszentrum, das, der Hohlblock-und-Glasziegel-Architektur nach zu urteilen, aus den frühen fünfziger Jahren stammte. Die Praxis lag mitten in einer Ladenfront, eingebettet zwischen einem Barbecue-Restaurant und einem Friseur. Eingestaubte beige Vorhänge hinter den Schaufenstern hielten neugierige Passantenblicke ab. Nicht dass es drinnen viel zu sehen gegeben hätte. An den stumpf-blauen Wänden waren metallene Klappstühle aufgereiht. In einem Fernseher in der einen Ecke lief ein spanischsprachiges Video, das die Wundertaten der Chiropraktik pries. Ein ramponiertes Poster mit der Überschrift die Iriszonen zeigte die durch feine speichenartige Striche unterteilten Kreissegmente und ihre verschiedenen irisdiagnostischen Zuständigkeiten, etwa für Diabetes. Der Boden war mit beigen PVC-Fliesen ausgelegt, über die kürzlich jemand einen feuchten Mopp gezogen haben musste, um den Dreck von gestern in Schlieren zu verteilen. Ein Anmeldetresen trennte den Wartebereich von den Behandlungsräumen im hinteren Teil ab. Im Wartezimmer fand ich sechzehn Personen und keine Zeitschriften. Unter meinen Mitpatienten war auch ein Bursche, den ich am Tag meiner Ankunft in Raymonds Wohnung gesehen zu haben glaubte. Ich füllte einen Anmeldezettel mit einem rudimentären Fragebogen zu meiner Krankengeschichte aus und malte dabei automatisch in Druckschrift die ersten drei Buchstaben von »Millhone«, ehe ich meinen Lapsus bemerkte und das i und das l in die beiden o ’s von »Moore« umwandelte. Das Formular selbst war in zwei Minuten ausgefüllt, worauf wir alle dasaßen und uns ansahen, während zwei Babys schrien und elf Leute insgesamt vierunddreißig Zigaretten qualmten. Das erzwungene Passiv-Rauchen und die Langeweile genügten, um in mir den dringenden Wunsch zu wecken, das Etablissement fluchtartig zu verlassen. Ich sah auf meine Uhr. Ich saß jetzt eineinhalb Stunden hier. Ich hatte das Gefühl, dass es mir nicht zustand, mich zu beschweren, da ich ja nur da war, um die Versicherung zu behummsen. Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich mir ausmalte, wie all die anderen Leute — Schwarze und Latinos, Senioren und Freizeitsportler — im Hinterzimmer wieder in Form gezogen, gerüttelt, geklopft und gebogen wurden. Die, die herauskamen, um zu bezahlen, wirkten erleichtert. Ihre Rücken und Schultern waren gerader. Sie bewegten sich kraftvoller und nahmen riesige Pillengläser mit, in denen ich teure Vitamine oder Kalzium-Präparate vermutete. Viele schlappe und knittrige Dollarnoten wanderten über die Theke zu der zweisprachigen Helferin, einer Frau in den Vierzigern, vielleicht die Gattin des Herrn Doktor.
    Als ich an der Reihe war, sah ich auf ihr Namensschildchen, aber es wies sie lediglich als Martha aus. Sie führte mich einen kurzen Flur entlang. Wir passierten die offene Tür eines Raums, der wohl eine Art Büro darstellte. Ich erspähte einen

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