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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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sagte er. »Und was arbeiten Sie normalerweise?«
    »Ich bin Serviererin.«
    »Nicht gut. Das ist Gift für Sie — das viele Stehen, die schweren Tabletts. Stellen Sie einen Antrag auf Berufsunfähigkeit. Hat mich sehr gefreut«, sagte er. Eine halbe Minute später hörte ich ihn das Sprechzimmer auf der anderen Flurseite betreten.
    Als ich die Praxis verließ, war es fünf vor drei. Es war heiß für Ende Oktober. Es roch nach warmer Klimaanlagen-Abluft. Diese Gegend hier war auch nicht viel besser als die, in der Raymond wohnte. Als ich mich dem Ford näherte, beugte sich Luis herüber, um mir die Tür aufzumachen. Ich schlüpfte auf den Beifahrersitz. Was immer Dr. Howard mit mir gemacht hatte — mein Kater war jedenfalls weg. Ich beugte den Kopf nach allen Seiten und testete meinen Nacken. Nicht schlecht. Kein steifer Hals, keine Verspannungen, keine Schmerzen.
    Im Wagen roch es nach Hamburgern und kalten Fritten. Auf dem Armaturenbrett stand ein leerer Milk-Shake-Becher, und eine weiße Papiertüte lag auf meinem Sitz. »Hmm, für mich?«, fragte ich. Ich lugte, von plötzlichem Hunger gepackt, in die Tüte. »Aber da ist ja nur Müll drin.«
    »Ich dachte, Sie hätten keinen Hunger nich’ mehr.«
    »Sie dachten, ich hätte keinen Hunger nich’ mehr?«, sagte ich pointiert.
    Luis schien verlegen. »Ich dachte, Sie haben gegessen.«
    »O ja, natürlich. Ich habe zur gleichen Zeit gegessen wie Sie, und deshalb habe ich jetzt nich’ keinen Hunger nich’, sondern einen Mordskohldampf.« Ich milderte meinen Ton. Es brachte nichts, deswegen biestig zu werden. »Können wir nicht auf der Heimfahrt irgendwo anhalten und mir was zum Essen holen?«
    Er ließ den Motor an und beobachtete den fließenden Verkehr im Rückspiegel. »Raymond hat gesagt, wir sollen sofort zurückkommen, wenn Sie fertig sind. Wir haben noch was zu tun.«
    »Und wieso müssen wir immer alles tun, was er sagt?«
    Luis sah mich nur an.
    Ich musste an Raymonds Ausbrüche denken. »Schon gut«, sagte ich.
    Als wir ankamen, war der Hund draußen am Balkongitter angebunden, und die Wohnungstür stand offen. Sechs bis acht junge Latinos verteilten sich in der Wohnung. Die meisten hatte ich noch nie gesehen. Bibianna saß auf dem Sofa, über eine Patience auf dem Couchtisch gebeugt. Luis ging in die Küche und holte sich ein Bier. Ich murmelte irgendetwas Entschuldigendes und ging in mein Zimmer, wo ich die geklauten Fotos aus der Handtasche holte. Ich trat ans Fenster und öffnete es leise. Meine Beute war ein mattgoldenes Doppelrähmchen zum Klappen, mit einem Scharnier in der Mitte. Ich nahm die Fotos heraus und warf das Rähmchen aus dem Fenster, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass es niemandem auf den Kopf fallen würde. Ich hielt die beiden Fotos ans Licht und musterte sie eingehend. Es waren offizielle Hochzeitsfotos. Das erste war eins jener Gruppenbilder, wie sie nach der Trauung am Altar aufgenommen werden, mit allen Gästen im Halbkreis und Braut und Bräutigam in der Mitte. Außer dem jungen Paar standen da noch sechs junge Frauen in lavendelfarbenen Kleidern, fächerförmig nach links aufgereiht, und sechs junge Burschen im grauen Smoking mit lavendelfarbenem Kummerbund zur rechten Seite hin. Dr. Howard war eindeutig der Brautvater. Die Brautmutter hatte nicht die mindeste Ähnlichkeit mit der Praxishelferin. Da hatte ich schief gelegen. Das zweite Foto war eine Ganzaufnahme der Braut. Sie war die Frau, von der ich glaubte, dass ich sie schon gesehen hatte. Sie stand im Dreiviertel-Profil, die Augen feierlich zu dem Kirchenfenster über ihrem Kopf erhoben, den Brautstrauß in den Armen wiegend. Sie trug ein eng anliegendes Satinkleid mit einer Schleppe, die so um ihre Füße drapiert war, dass es aussah, als sei der Stoff zu einer Pfütze zerschmolzen. Ihr blondes Haar wurde von etwas zurückgehalten, das aussah wie ein bräutliches Haarnetz. Das Gesicht, das mich nicht losließ, war in keiner Weise schön, aber sie hatte offensichtlich ein Team von Visagisten engagiert, um jeden einzelnen Zug optimal zur Geltung zu bringen. Ich war mir absolut sicher, dass ich sie erst vor kurzem gesehen hatte, wenn auch nicht so wirkungsvoll zurechtgemacht. Ich starrte angestrengt und ratlos auf das Foto. Es war, als ob man seinen Briefträger in voller Abendgarderobe bei einer Cocktailparty treffen würde. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich achselzuckend abzuwenden und die ganze Sache vorerst zu vergessen. Es würde mir schon wieder

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