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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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schartigen Eichenholzschreibtisch mit Stapeln von Patientenkarten und kleinen Aufstell-Bilderrähmchen, die vermutlich den Chef im Kreis seiner Lieben zeigten, um seinen Familienstand klarzustellen und Patientinnen mit amourösen Absichten abzuschrecken. Ich wurde in den angrenzenden Untersuchungsraum gebracht und bemerkte mit Interesse die geöffnete Verbindungstür. Ich konnte durch das Büro wieder hinaus auf den Flur schauen, wo sich eine eben vorbeigehende Patientin neugierig nach mir umdrehte. Martha öffnete ein Schränkchen und entnahm ihm einen buntbedruckten Umhang, der aus zwei aneinandergenähten und am Hals mit Gummiband gerafften Stoffrechtecken bestand.
    »Schuhe ausziehen und bis auf die Unterhose freimachen, bitte«, sagte sie, während sie mir den Umhang reichte. »Er wird in zehn Minuten da sein.«
    »Danke. Ach, äh... könnten wir vielleicht die andere Tür dort drüben zumachen?«, fragte ich.
    »Sicher.« Sie ging durch das Büro zu der Tür zum Flur und schloss sie hinter sich.
    Ich spürte, wie es mir in den Fingern zu jucken begann.
    Heiliger Strohsack. Ich hier ganz allein in diesem Zimmer, und die gesamten Praxisunterlagen dieses kriminellen Knochenbiegers keine drei Meter weiter. Ich inspizierte die Tür zwischen Sprechzimmer und Flur. Im Knauf war ein kleiner Verriegelungsknopf, den ich drückte. Ich zog mich hastig aus und streifte mir den Umhang über. Dann schlich ich barfuß hinüber ins Büro, wo ich die Tür nach draußen ebenfalls verriegelte. Die Wände waren so dünn und so schlecht isoliert, dass sich das Geschehen draußen leicht verfolgen ließ. Ich hörte Dr. Howard das Zimmer auf der anderen Seite des Flurs betreten und die Patientin mit Namen begrüßen, während er die Tür hinter sich schloss. Das Gemurmel war deutlich zu vernehmen, wenn ich auch nicht mitbekam, worum es ging. Ich hielt ein Ohr gespitzt, während ich das Büro so gründlich durchsuchte, wie es die mir noch verbleibenden acht Minuten zuließen. Ich entdeckte eine Schublade voller Schadensmeldungs-Formulare, die auf den ersten Blick in etwa dem zu entsprechen schienen, was ich bei Raymond gefunden hatte. Ich hörte, wie die Tür gegenüber geöffnet wurde und die Stimme des Doktors den Flur hinunter entschwand, während sie der Patientin noch ein paar letzte Ratschläge mit auf den Weg gab. Ich schloss die Schublade, flitzte rasch zur Büro-Flur-Tür und drehte am Knauf. Der Verriegelungsknopf sprang heraus. Ich war gerade wieder auf dem Weg ins Untersuchungszimmer, als mein Blick an einem der kleinen gerahmten Familienfotos auf dem Schreibtisch hängenblieb.
    Ich hielt inne und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf das Hochzeitsbild einer jungen Frau, von der ich hätte schwören können, dass ich sie schon einmal gesehen hatte. Ich schnappte mir das Doppelrähmchen und arrangierte rasch die übrigen Fotos so, dass die Lücke nicht allzu sehr auffiel. Dann huschte ich ins Untersuchungszimmer, wo ich das Bilderrähmchen gerade noch in meiner von Bibianna geborgten Handtasche verstauen konnte, ehe ich den Doktor am Türknauf rütteln hörte.
    »Moment!«, rief ich. Ich ließ die Verriegelung zurückschnellen und öffnete ihm mit einem verlegenen Grinsen die Tür.
    »Entschuldigung«, sagte ich. »Ich habe gar nicht gemerkt, dass abgeschlossen war. Sie sind sicher Dr. Howard?«
    »Ganz recht.« Er trat herein und schloss die Tür hinter sich.
    Ich widerstand dem Impuls, ihm die Hand zu schütteln. Es erschien mir unangemessen, nachdem ich ihm gerade etwas vom Schreibtisch geklaut hatte. Er war in den Vierzigern und sah ungeheuer sauber aus. Er trug weiße Hosen, einen weißen Kittel und darunter ein schneeweißes Hemd, dessen gestärkter Kragen so steif hochstand, dass er seinen Hals in Falten zu pressen schien. Das dunkle Haar auf seinem Oberkopf wirkte weich. Der Haaransatz war schon ein Stück zurückgewichen, was ihm eine hohe, glatte Stirn bescherte. Er hatte kalte, sanftbraune Augen hinter einer eckigen Schildpattbrille und einen humorlosen, leicht hängenden Mund. Er brachte jetzt mit den Lippen ein mechanisches Lächeln zustande, während das restliche Gesicht starr blieb. Sein Blick war eindringlich und ließ ihn wie jemanden wirken, der aus seinem eigenen schwarzen Herzen direkt in meins sah. Ein Duft nach zermahlenen Gewürzen wehte hinter ihm her, irgendein leises orientalisches Gemisch aus Moschus und Sandelholz.
    Er sah auf meine Karte. »Miss Moore. Wo fehlt’s denn? Dann klettern Sie

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