Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
inzwischen Platz, es kommt sofort jemand zu Ihnen.«
Wir warteten etwa fünf Minuten, und dann kam June, die zweite Angestellte, und legte einen Mikrofilm in den Projektor ein.
Nachdem wir die Seite gefunden hatten, entdeckten wir sehr schnell Irenes Namen. Dietz hatte Recht gehabt. Datum und Zeit der Geburt und der Name des Geburtshilfearztes stimmten auf den Dokumenten überein. Irenes Name, das Alter der Eltern und der Beruf ihrer Mutter waren ebenfalls dieselben. Alles andere war verändert worden.
Ihr Vater war Patrick Bronfen, von Beruf Autoverkäufer. Ihre Mutter hieß Sheila, mit Mädchennamen Farfell.
»Wer zum Teufel ist das?«, fragte ich ungläubig. »Ich dachte, ihre Mutter heißt Anne.«
»Hat der Polizist, der Agnes ins Krankenhaus brachte, nicht gesagt, sie habe immer wieder von einer Sheila gesprochen?«
Ich drehte mich um und sah ihn erstaunt an. »Stimmt. Das hatte ich ganz vergessen. Gutes Gedächtnis.«
»Wenn es stimmt, könnte es ein Hinweis darauf sein, dass Sheila und Agnes ein und dieselbe sind.«
Ich verzog das Gesicht. »Das torpediert unsere Bronte-Theorie. Aber he, schau dir das an!« Ich zeigte auf den Schirm. Die angegebene Adresse war dieselbe wie bei Emily Bronfen, die zehn Jahre vor Irenes Geburt ums Leben gekommen war — vierzehn Jahre bevor jemand das Teegeschirr in die Schachtel gepackt hatte. Ich kniff die Augen zusammen, bemühte mich, das Ganze irgendwie in die Reihe zu bekommen. Dietz schien genauso verwirrt wie ich. Was zum Kuckuck hatte das zu bedeuten?
24
Wir bezahlten elf Dollar und warteten weitere zehn Minuten auf eine beglaubigte Abschrift von Irenes Geburtsschein. Ich war der Meinung, sie würde uns die Geschichte nur abnehmen, wenn sie die Urkunde schwarz auf weiß vor sich sah. Als wir die Hall of Records verließen, blieb ich einen Moment vor dem Schalter stehen, hinter dem die Angestellte, die uns geholfen hatte, einen Stapel Computerausdrucke sortierte.
»Haben Sie einen Stadtplan?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Der Pförtner am Informationsschalter im Erdgeschoss gleich um die Ecke könnte einen haben«, sagte sie. »Welche Straße suchen Sie denn? Kann sein, dass ich sie kenne.«
Ich zeigte ihr die Adresse auf dem Geburtsschein. »Hier steht Summer Street eins eins null sieben, aber ich habe noch nie davon gehört. Gibt es diese Straße eigentlich?«
»Aber ja, nur hat man den Namen vor Jahren geändert. Sie heißt jetzt Concorde Street.«
»Die Concorde Street hat früher Summer Street geheißen?«, sagte ich und verstand wieder einmal gar nichts. Das ist mir neu, dachte ich. Und dann begriff ich und senkte einen Augenblick den Kopf. »Dietz, das hat Agnes in der Notaufnahme gemeint. Sie hat nicht gesagt: »Früher war es Sommern Sie sagte »Summen. Das Pflegeheim ist dort. Sie hat die Straße gekannt.«
»Na, dann wollen wir mal.« Dietz nahm meinen Ellenbogen, wir passierten die Doppeltür und gingen rasch zu der öffentlichen Garage, wo er seinen Wagen abgestellt hatte.
Wir kamen der Lösung näher, und ich hob geradezu ab. Ich fühlte, wie meine kleinen grauen Zellen einen Stepptanz hinlegten vor Vergnügen. Ich hüpfte fast, und meine Aufregung schäumte über, als wir die Straße überquerten. »Ich liebe Informationen. Ich liebe Informationen. Ist das nicht super? Gott, macht das Spaß...«
Dietz war verärgert über die Ablenkung. Mit konzentriert gerunzelter Stirn suchte er den Gehsteig zwischen der Bibliothek und dem Parkhaus ab. Wir erreichten das zweistöckige Gebäude unbehelligt und begannen die Außentreppe hinaufzusteigen.
»Was hältst du von der Geschichte?«, fragte er, als wir den zweiten Treppenabsatz hinter uns hatten. Ich war zurückgeblieben, denn mit ihm Schritt zu halten, strengte mich zu sehr an. Für einen Mann, der erst vor vier Tagen das Rauchen aufgegeben hatte, war er in bemerkenswert guter Verfassung.
»Das weiß ich noch nicht«, antwortete ich. »Patrick könnte ein Bruder gewesen sein. Sie hatten dieselbe Adresse. Auf jeden Fall ist Emily tatsächlich bei dem Erdbeben getötet worden, genau wie Agnes gesagt hat. Zumindest muss es so ausgesehen haben...«
»Aber was hat das mit Irene Gersh zu tun? Sie war damals noch nicht einmal geboren.«
»Hinter diesen Teil der Geschichte bin ich noch nicht gekommen, aber irgendwie muss er hineinpassen. Ich denke, sie war Zeugin bei einer Gewalttat. Es war nicht nur Emily. Fahren wir zu dem Haus eins eins null sieben Concorde Street und sehen wir nach,
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